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Entziehungsbescheid beim Bürgergeld: rechtliche grenzen und pflichten des Jobcenters

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Entziehungsbescheide wegen fehlender Nachweise über BAföG-Anträge oder Rentenanträge sind häufig rechtswidrig. Das Jobcenter muss bei Mitwirkungspflichten sorgfältig vorgehen und kann unter bestimmten Voraussetzungen Anträge auf Sozialleistungen selbst stellen.

Rechtliche grundlagen für entziehungsbescheide beim Bürgergeld

Ein Entziehungsbescheid durch das Jobcenter darf nicht allein darauf beruhen, dass der Leistungsempfänger keinen Nachweis über die Beantragung von BAföG-Leistungen erbracht hat. Gemäß § 66 Abs. 1 SGB I ist dies keine ausreichende Grundlage für eine Leistungsentziehung. Die Pflicht zur Mitwirkung nach § 12a SGB II verpflichtet Hilfebedürftige zwar, erforderliche Anträge auf andere Sozialleistungen zu stellen, um ihre Hilfebedürftigkeit zu vermeiden oder zu verringern. Allerdings sieht § 5 Abs. 3 SGB II ausdrücklich vor, dass das Jobcenter den Antrag anstelle des Hilfesuchenden stellen kann, wenn dieser seiner Pflicht nicht nachkommt.

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg bestätigte diese Rechtslage und stellte klar, dass ein Verstoß gegen die Mitwirkungspflicht nicht automatisch zum Wegfall der Leistungen führt. Vielmehr ist das Ermessen des Jobcenters gefragt; es darf den Antrag selbst einreichen und so die Hilfebedürftigkeit abwenden.

Darüber hinaus ist eine Teilzeitausbildung im Sinne von § 7 Abs. 5 SGB II grundsätzlich nicht förderungsfähig – etwa bei einem Fernlehrgang – sodass in solchen Fällen der Anspruch auf Bürgergeld-Leistungen weder ruht noch entfällt.

Pflichten und ermessensspielräume des Jobcenters bei mitwirkungspflichten

Sozialrechtsexperte Detlef Brock weist darauf hin, dass viele Behörden Versagungs- oder Entziehungsbescheide aufgrund vermeintlich fehlender Mitwirkung rechtswidrig erlassen haben. Häufig wird dabei eine falsche Rechtsgrundlage genannt oder das Ermessen des Jobcenters missachtet.

Behörden dürfen laut Brock grundsätzlich nicht mit Androhung von Sanktionen nach § 60 SGB I Druck ausüben, um einen Rentenantrag durchzusetzen oder zur Rente hinzuwirken. Selbst wenn eine Mitwirkungspflicht besteht, muss das Jobcenter sein Ermessen sorgfältig prüfen und anwenden.

Wichtig ist zudem: Das Jobcenter darf gemäß § 5 Abs. 3 SGB II den Antrag auf andere Sozialleistungen eigenständig stellen – auch ohne aktive Mitarbeit der hilfebedürftigen Person –, um deren Lebensunterhalt sicherzustellen.

Rechtsurteil zum rentenantrag und Bürgergeld

Zudem hat das Sozialgericht Berlin in einem Beschluss vom 29.07.2024 entschieden, dass kein Bürgergeld versagt werden darf allein deshalb, weil ein Rentenantrag auf Erwerbsunfähigkeitsrente vom Rentenversicherungsträger abgelehnt wurde.

Anforderungen an belehrung und folgen unzureichender information durch das Jobcenter

Die Gerichte betonen außerdem die Bedeutung einer ordnungsgemäßen Belehrung der Leistungsberechtigten über ihre Rechte und Pflichten im Zusammenhang mit dem Stellen anderer Anträge gemäß § 5 Abs. 3 SGB II.

Das Landessozialgericht Sachsen stellte klar: Erfolgt diese Belehrung nicht ordnungsgemäß, sind Versagungen von Arbeitslosengeld-II-Leistungen rechtswidrig.

Diese Vorgaben sollen verhindern, dass Bürgergeldempfänger ungerechtfertigt bestraft werden oder ihnen Leistungen entzogen werden ohne ausreichende Information über ihre Möglichkeiten zur Vermeidung von Hilfebedürftigkeit durch andere Leistungen.

Grundsätzlich gilt daher: Die Regelung in § 5 Abs. 3 SGB II dient dazu sicherzustellen, dass Hilfeempfänger unterstützt werden statt bestraft – ihr Verhalten soll keine automatische Kürzung ihrer Existenzsicherung bewirken.

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