Die Einführung des Euro in Bulgarien zum 1. Januar 2026 steht kurz bevor. Während das Europaparlament und die Finanzminister die letzten Schritte vollziehen, wächst in der Bevölkerung die Sorge um steigende Preise und den Verlust wirtschaftlicher Souveränität.
Proteste gegen euroeinführung vor dem präsidentenpalast in sofia
Vor dem Präsidentenpalast in Sofia haben sich wenige Tage vor der endgültigen Entscheidung der Euro-Finanzminister mehrere Demonstranten versammelt, um gegen die Einführung des Euro zu protestieren. Neun kleine Campingzelte und ein Pavillon prägen das Bild auf dem Steinboden vor dem Gebäude, unter einem großen Plakat mit der Aufschrift „Nationaler Protest“. Die Teilnehmer fordern ausdrücklich den Erhalt des bulgarischen Lew als Landeswährung.
Die Stimmung unter den Protestierenden ist von Skepsis gegenüber Europa geprägt. Eine Frau äußert: „Die Eurozone ist das Schlimmste, was den Bulgaren derzeit passieren kann, denn wir sind ohnehin schon ein unterworfenes Territorium.“ Ein anderer Mann fragt rhetorisch: „Was sind denn diese europäischen Werte? Wir brauchen den Euro nicht. Wozu überhaupt?“ Diese Aussagen spiegeln eine weit verbreitete Unsicherheit wider, die sich aus mangelnder Information sowie Ängsten über mögliche negative Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft speist.
Der Protest zeigt exemplarisch eine gesellschaftliche Spaltung im Land zwischen Befürwortern einer stärkeren Integration in die EU-Währungsunion und Gegnern, denen insbesondere Preissteigerungen sowie ein Verlust nationaler Kontrolle Sorgen bereiten. Die Demonstrationen verdeutlichen zudem eine generelle Skepsis gegenüber politischen Entscheidungen auf europäischer Ebene.
Gespaltener blick auf euroeinführung trotz parlamentarischer mehrheit
Seit dem EU-Beitritt Bulgariens im Jahr 2007 war klar vereinbart, dass das Land langfristig den Euro übernehmen wird. Alle Regierungen seitdem haben dieses Ziel verfolgt; auch im Parlament besteht aktuell eine klare Mehrheit für diesen Schritt. Dennoch zeigt sich bei der Bevölkerung keine eindeutige Zustimmung.
Laut Genowewa Petrowa, Politikwissenschaftlerin und Leiterin des Umfrage-Instituts Alpha Research in Sofia, herrscht zwischen Befürwortern und Gegnern faktisch Parität: „Wenn es Bedenken gibt, dann beziehen sie sich auf mögliche erwartete Preissteigerung.“ Die Angst vor Inflation dominiert also viele Diskussionen rund um die Währungsumstellung.
Ein weiterer Faktor ist nach Petrowas Einschätzung fehlende Information darüber, wie genau der Übergang zum Euro ablaufen soll – dies verstärkt Unsicherheiten zusätzlich. In sozialen Medien kursieren zahlreiche Gerüchte etwa über einen angeblichen Zugriff der EU auf persönliche Ersparnisse oder andere Verschwörungsmythen rund um finanzielle Freiheit.
Diese Verunsicherung wird durch politische Akteure verstärkt: Staatspräsident Rumen Radew positioniert sich offen gegen Regierungskurs und Euroskeptiker gewinnen so an Einfluss innerhalb eines polarisierten öffentlichen Diskurses. Petrowa betont zudem institutionelle Schwächen: „Der zweite wichtige Faktor ist die Ineffizienz der Institutionen, die bisher nicht gezeigt haben, dass ihre Arbeit im Interesse der Gesellschaft ist.“ Das geringe Vertrauen in Politik sowie staatliche Einrichtungen trägt maßgeblich zur Spaltung bei.
Währungspolitische hintergründe mit festem wechselkurs zum euro
Trotz aller Ängste existiert bereits seit langem ein fester Wechselkurs zwischen dem bulgarischen Lew und dem Euro – eingeführt nach einer schweren Finanzkrise 1997 zur Stabilisierung des Landeswährungssystems. Dieses System bindet den Lew eng an den Wert des Euros; geldpolitische Souveränität hat Bulgarien dadurch de facto schon lange eingeschränkt verloren.
Viele Bürger wissen jedoch wenig über diese Zusammenhänge oder erinnern sich nur vage an frühere Krisenzeiten mit hoher Inflation oder finanzieller Instabilität – was Misstrauen gegenüber Veränderungen nährt. Ökonomen weisen darauf hin, dass Sorgen bezüglich eines vollständigen Kontrollverlusts über Geldpolitik unbegründet sind; dennoch finden solche Argumente kaum Gehör bei Teilen der Bevölkerung oder politischen Gegnern des Euros.
Das bestehende Wechselkurssystem bedeutet auch praktisch keine plötzlichen Kursschwankungen beim Übergang zur neuen Währung – dennoch bleibt das Thema emotional besetzt durch historische Erfahrungen mit wirtschaftlicher Unsicherheit sowie aktuelle soziale Spannungen innerhalb Bulgariens hinsichtlich seiner Rolle innerhalb Europas insgesamt.
Regierung startet informationskampagne gegen preisanstieg bei euroeinführung
Angesichts wachsender Besorgnis hat die bulgarische Regierung eine Informationskampagne gestartet mit klaren Zusagen zu Verbraucherschutzmaßnahmen während des Übergangs zum Euro am Jahresanfang 2026. Sie verspricht Preiskontrollen sowie faire Anpassungen von Löhnen und Renten entsprechend möglicher Kostensteigerungen durch Umstellungseffekte zu gewährleisten.
Premierminister Rossen Zheljaskow appelliert öffentlich an Unternehmen: „Niemand sollte seine marktbeherrschende oder monopolistische Stellung missbrauchen – insbesondere dort wo es keine Alternativen im Angebot gibt.“ Ziel sei es somit auch Spekulationen vorzubeugen beziehungsweise deren Auswirkungen einzudämmen zugunsten stabiler Preise für Verbraucherinnen und Verbraucher während dieser Phase großer Veränderung.
Trotz dieser Maßnahmen beobachten Beobachter bereits erste Preiserhöhungen besonders bei Grundnahrungsmitteln – einige Händler nutzen offenbar jetzt schon Gelegenheit zur Anpassung ihrer Verkaufspreise ohne unmittelbare Konsequenzen befürchten zu müssen. Dies könnte wiederum weitere Zweifel schüren beziehungsweise euroskeptische Positionen stärken angesichts real wahrgenommener Belastungen durch steigende Lebenshaltungskosten unmittelbar vor offizieller Einführung neuer Währungseinheiten am Marktbeginn nächsten Jahres.