Der Gesetzentwurf von Verteidigungsminister Boris Pistorius zur Reform des Wehrdienstes in Deutschland kombiniert freiwillige und verpflichtende Elemente. Ziel ist es, den Personalmangel bei der Bundeswehr zu beheben und die Truppenstärke deutlich zu erhöhen.
Hintergrund und ziele des neuen wehrdienstgesetzes
Der vorgelegte Entwurf für den neuen Wehrdienst reagiert auf die anhaltenden Herausforderungen bei der Personalgewinnung der Bundeswehr. Seit Jahren stagniert die Zahl aktiver Soldatinnen und Soldaten bei etwa 180 000, obwohl die sicherheitspolitische Lage eine stärkere Truppe erfordert. Boris Pistorius plant daher eine Erhöhung der aktiven Dienstposten um 80 000 sowie eine Ausweitung der Reservisten auf 200 000 Personen. Diese Zahlen sollen den deutschen Beitrag zur Bündnisverteidigung sichern.
Das Modell basiert zunächst auf Freiwilligkeit, integriert aber auch verpflichtende Maßnahmen wie eine Bereitschaftserklärung für Männer sowie die Wiedereinführung einer Musterung ab 2027. Im Ernstfall soll mit Zustimmung des Bundestags auch eine Einberufung von Wehrpflichtigen möglich sein – insbesondere wenn Anreize wie bessere Bezahlung oder Infrastruktur nicht ausreichen, um genügend Freiwillige zu gewinnen.
Ein zentrales Element ist ein Fragebogen, der ab 2026 an alle männlichen Jugendlichen im Alter von 18 Jahren verschickt werden soll. Frauen können freiwillig teilnehmen. Mit diesem Instrument will die Bundeswehr frühzeitig erkennen, wer grundsätzlich Interesse und Eignung für den Dienst mitbringt und so ihre Personalplanung verbessern.
Die geplanten Maßnahmen orientieren sich am sogenannten Schwedischen Modell, das ebenfalls auf Kombinationen aus Freiwilligkeit und Verpflichtungen setzt. Die Bundesregierung reagiert damit auf das Risiko eines weiteren Personalmangels angesichts verschärfter sicherheitspolitischer Bedingungen.
Details zum gesetzesentwurf: freiwilligkeit trifft pflicht
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass junge Männer zunächst einen Fragebogen erhalten müssen, um ihre Bereitschaft zum Wehrdienst zu erklären – dies stellt ein verpflichtendes Element dar. Die Musterung wird wieder eingeführt; sie dient dazu festzustellen, ob jemand tauglich ist oder nicht. Frauen können sich weiterhin freiwillig melden.
Im Normalbetrieb bleibt das System also überwiegend freiwillig angelegt: Wer Interesse hat, kann sich melden; wer nicht willens ist oder keine Eignung besitzt, bleibt außen vor – zumindest solange keine Krisensituation herrscht.
Sollte jedoch ein Mangel an Freiwilligen bestehen bleiben oder sich die Sicherheitslage verschärfen, lassen es Gesetzgebung sowie Kabinett zu jederzeit zu einer Teil- oder Vollverpflichtung kommen – nach Zustimmung durch den Bundestag natürlich –, um schnell zusätzliche Kräfte mobilisieren zu können.
Zitat von boris pistorius
Verteidigungsminister Pistorius betonte in einem ARD-Interview: „Wenn wir jetzt schon einen Mechanismus im Gesetz haben für den Fall fehlender Freiwilliger, sind wir handlungsfähig.“ Er verwies daraufhin daraufhin, dass man keine Zeit habe für langwierige neue Gesetzgebungsverfahren im Krisenfall.
Die Einführung eines solchen Systems soll zudem helfen, langfristig mehr Menschen dauerhaft an militärische Laufbahnen heranzuführen – viele ehemalige Wehrpflichtige blieben bereits nach ihrem Dienst aktiv dabei wegen ihrer positiven Erfahrungen während ihrer Grundausbildung oder danach erworbenen Qualifikationen innerhalb der Streitkräfte.
Reaktionen aus politik und gesellschaft
Die Pläne stoßen innerhalb politischer Kreise teils auf Kritik: So äußerte Unionsfraktionsvize Norbert Röttgen, dass das Vorhaben angesichts aktueller Bedrohungen noch nicht ausreichend sei: „Dieser Kernanforderung werden die Pläne von Pistorius leider noch nicht gerecht.“ Er warnte davor, Deutschland dürfe „nicht sehenden Auges unvorbereitet“ bleiben angesichts wachsender Risiken in Europa und weltweit.
Auch innerhalb der SPD gibt es unterschiedliche Stimmen bezüglich einer möglichen Pflichtkomponente beim Wehrdienst; einige Mitglieder hatten zuvor Bedenken gegen Zwangsmaßnahmen geäußert beziehungsweise bevorzugten ausschließlich freiwillige Modelle ohne Rückgriff auf Verpflichtungen junger Männer durch staatliche Vorgaben wie Musterungen oder Einberufungen im Friedenfall.
Wie viel Verbindlichkeit letztlich umgesetzt wird, hängt stark vom weiteren Verlauf internationaler Konflikte ab sowie davon, wie erfolgreich Anreizsysteme funktionieren werden — etwa höhere Bezahlung oder verbesserte Infrastruktur in Kasernen –, um mehr junge Menschen zur Bundeswehr zu bewegen ohne Zwang einsetzen zu müssen.
Mit jedem Monat zunehmender Spannungen wächst zugleich auch politischer Druck, rasch verfügbare Einsatzkräfte vorzuhalten; deshalb gilt als wahrscheinlich, dass verbindliche Elemente trotz aller Debatten Teil des künftigen Systems bleiben werden.
Die Reform zeigt damit deutlich Deutschlands Bemühen, seine Verteidigungsfähigkeit nachhaltig auszubauen — sowohl personell als auch organisatorisch — unter Berücksichtigung gesellschaftlicher Akzeptanzgrenzen ebenso wie realpolitischer Notwendigkeiten in Zeiten globaler Unsicherheiten.