Das Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern hat mit seinem Urteil bestätigt, dass ein einziges Datum über hohe monatliche Krankenkassenbeiträge im Alter entscheiden kann. Dabei geht es um die Einhaltung der sogenannten 9/10-Vorversicherungszeit bei Antragstellung auf Altersrente.
Bedeutung der 9/10-vorversicherungszeit für die gesetzliche krankenversicherung der rentner
Die sogenannte 9/10-Vorversicherungszeit ist eine wichtige Voraussetzung, damit Rentner in die Pflichtmitgliedschaft der gesetzlichen Krankenversicherung der Rentner aufgenommen werden können. Diese Regel verlangt, dass Versicherte in den letzten Jahren vor dem Renteneintritt mindestens neun Zehntel ihrer Zeit gesetzlich krankenversichert gewesen sein müssen. Wer diese Frist nicht erfüllt, bleibt lebenslang nur freiwilliges Mitglied und zahlt deutlich höhere Beiträge.
Im konkreten Fall vor dem Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern hatte ein Kläger aus dem Jahrgang 1952 seinen Rentenantrag im Jahr 2015 gestellt. Zu diesem Zeitpunkt fehlten ihm exakt zwei Jahre und zwanzig Tage an gesetzlicher Krankenversicherungspflicht, da er in den neunziger und frühen zweitausender Jahren privat versichert war. Das Gericht entschied eindeutig: Die Prüfung erfolgt starr zum Antragsdatum; spätere Versicherungszeiten zählen nicht mehr hinzu. Persönliche Gründe oder Unkenntnis ändern daran nichts.
Diese Regelung soll verhindern, dass Personen während ihres Erwerbslebens von einer privaten Krankenversicherung profitieren und sich dann im Alter günstig ins Solidarsystem einkaufen können. Rechtlich verankert ist sie in § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V.
Seit dem Jahr 2017 gibt es eine Erleichterung für Eltern: Pro Kind werden pauschal drei anrechenbare Jahre gutgeschrieben, was die Hürde etwas senkt – insbesondere für diejenigen mit längeren Erziehungszeiten.
Die Rechtsprechung einschließlich des Bundesverfassungsgerichts hat diese Regel als verfassungsgemäß bestätigt, da sie jene begünstigt, die dem gesetzlichen System „in besonderer Weise verbunden“ geblieben sind.
Finanzielle folgen einer nicht erfüllten vorversicherungszeit bei rentenantrag
Der Unterschied zwischen Pflichtmitgliedschaft in der KVdR und freiwilliger Mitgliedschaft ist erheblich – sowohl finanziell als auch hinsichtlich des Beitragsumfangs.
Pflichtversicherte Rentner zahlen nur den halben allgemeinen Beitragssatz sowie die Hälfte des Zusatzbeitrags zur Krankenkasse; den Rest übernimmt die Deutsche Rentenversicherung als Trägeranteil.
Freiwillig Versicherte hingegen tragen den vollen Beitrag selbst – inklusive aller Zusatzbeiträge – und müssen diesen auch auf weitere Einkünfte wie Mieteinnahmen oder Betriebsrenten entrichten. Dies führt schnell zu Mehrkosten von mindestens hundert Euro pro Monat bei durchschnittlichen gesetzlichen Renten; mit höheren Nebeneinkünften steigt dieser Betrag deutlich an.
Für viele Betroffene bedeutet dies eine erhebliche finanzielle Belastung über Jahrzehnte hinweg ohne Möglichkeit zur nachträglichen Korrektur nach Antragstellung.
Besonders betroffen sind Personen mit langen Phasen privater Versicherung wie Selbstständige oder Freiberufler sowie Beamtenanwärter auf Zeit oder Angestellte oberhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze . Laut Mikrozensus sind rund 39 Prozent aller Selbstständigen privat krankenversichert und riskieren somit das Verfehlen dieser wichtigen Quote beim späteren Wechsel zurück in das gesetzliche System.
Handlungsspielräume vor rentenantrag prüfen um beitragshöhe zu optimieren
Wer heute Ende vierzig oder älter ist und einen bevorstehenden Ruhestand plant, sollte seine Krankenversicherungsvergangenheit sorgfältig analysieren bevor er einen Antrag auf Altersrente stellt. Dabei können verschiedene Zeiten angerechnet werden: Kindererziehungszeiten seit Einführung ab 2017 ebenso wie Pflegezeiten von Angehörigen sowie Zeiten von Arbeitslosigkeit oder Auslandsaufenthalten unter bestimmten Voraussetzungen verbessern oft entscheidend das Ergebnis bezüglich der Vorversicherungsquote.
In manchen Fällen genügt es bereits wenige Monate bis ein bis zwei Jahre zu warten beziehungsweise den Antrag bewusst zeitlich zu verschieben um noch fehlende Pflichtjahre aufzubauen beziehungsweise anzurechnen lassen zu können.
Der erfahrene Rentenexperte Peter Knöppel empfiehlt daher ausdrücklich: „Den Antrag erst stellen wenn alle Voraussetzungen belegt sind.“ Zudem sollte man sich frühzeitig bestätigen lassen, ob die Krankenkasse tatsächlich alle erforderlichen Vorversicherungen anerkennt.
Reformdebatte zum starrem stichtagsprinzip bei krankenkassenpflichtigkeit im alter
Das starre Stichtagsprinzip wird vielfach kritisiert, weil es lebenslaufbedingte Brüche unberücksichtigt lässt – etwa durch Selbstständigkeitspausen oder Pflegephasen innerhalb eines Erwerbslebens.
Reformvorschläge reichen dabei von gleitenden Übergangsregelungen bis hin zur Möglichkeit fehlende Pflichtzeiten gegen Beiträge nachträglich auszugleichen.
Die Bundesregierung sieht bislang keinen Handlungsbedarf am bestehenden § 5 SGB V-System und verweist darauf dass dieses „erprobt“ sei sowie verfassungsgemäß ausgestaltet wurde.
Sozialverbände hingegen warnen vor einer Schieflage zulasten älterer Selbstständiger insbesondere wegen mangelnder Berücksichtigung alternativer Lebensmodelle innerhalb des Systems. Sie fordern zumindest eine verbesserte Anrechnung von Kinder- sowie Pflegezeiten über das bisherige Maß hinaus.
Zusammenfassung gerichtsurteil zeigt hohe folgen kleiner formfehler beim rentenantrag
Das Urteil verdeutlicht eindrucksvoll, welche finanziellen Folgen kleine Formfehler beim Zeitpunkt eines Rentenantrags haben können: Wer seine Vor-versicherten Zeiten nicht genau kennt beziehungsweise unzureichend dokumentiert hat riskiert dauerhaft höhere Krankenkassenbeiträge ohne Nachbesserungsmöglichkeit nach Antragsstellung.
Eine akribische Prüfung aller relevanten Zeiten inklusive professioneller Beratung gilt deshalb als unverzichtbar für jeden zukünftigen Ruheständler.
Denn einmal überschrittene Fristen führen dazu, dass Betroffene Mehrkosten oft jahrzehntelang begleichen müssen ohne Aussicht auf Entlastung durch Nachzahlungen oder Korrekturen seitens der Versicherungsträger.