Recherchen von Kontraste und der Deutschen Welle zeigen, wie somalische Geflüchtete aus Deutschland heraus den Bürgerkrieg in Somalia befeuern. Sie hetzen gegen verfeindete Clans, sammeln Spenden für Milizen und reisen selbst ins Kriegsgebiet.
Aufrufe zum kampf und finanzielle unterstützung aus deutschland
Der somalische Influencer Ayub A. ruft seine Landsleute in einem Video dazu auf, zu den Waffen zu greifen: „Nehmt die Gewehre und kämpft. Geht auf die Dächer und schießt auf alle in Uniform.“ Er fordert zudem Gewalt gegen Menschen, die sich weigern, ihn aufzunehmen: „Wer euch nicht in sein Haus lässt, wird erschossen.“ Das Video wurde im Dezember 2022 veröffentlicht – nicht aus Somalia, sondern offenbar von Deutschland aus.
Mit über einer halben Million Followern zählt Ayub A. zu den einflussreichsten somalischen TikTok-Influencern. In seinen Beiträgen schürt er Feindschaften zwischen Clans und bietet finanzielle Unterstützung für bewaffnete Gruppen an: „Ich schwöre, ich gebe euch 20 000 Dollar, wenn ihr eine Miliz gründet.“
Ayub A., der 2017 selbst Asyl in Deutschland beantragte und dessen Antrag 2020 abgelehnt wurde, erhielt eine Duldung wegen der instabilen Lage in Somalia. Trotz des Status pendelte er mehrfach zwischen Deutschland und seiner Heimat hin- und her. Videos zeigen ihn unter anderem beim Abfeuern schwerer Waffen im Norden Somalias – einer Region mit gewaltsamen Konflikten zwischen Milizen und autonomen Regierungen.
Der Sicherheitsexperte Moustafa Ahmed warnt vor der Wirkung solcher digitalen Aufrufe: „Wir werden hier Zeugen einer digitalen Kriegsführung“, sagt er. Social-Media-Influencer verbreiteten Propaganda sowie Hassbotschaften und trügen so zur Eskalation des Bürgerkriegs bei.
Vergangenheit als pirat am horn von afrika
Die Rolle von Ayub A. ist nicht nur wegen seiner Online-Aktivitäten brisant: Recherchen von Kontraste sowie der Deutschen Welle legen nahe, dass er Anfang der 2010er-Jahre eine führende Rolle bei Piraterie am Horn von Afrika spielte. Damals wurden mehr als 90 Schiffe entführt – darunter auch das Frachtschiff MV Iceberg 1 mit einer fast dreijährigen Geiselnahme.
In Accra traf Kontraste einen ehemaligen Besatzungsmitglied des Schiffes namens Jewel Ahiable. Wiederholt erinnert sich dieser an die Zeit unter Geiselhaft mit Schrecken: „Ohne Zweifel ist der Mann auf dem Bild Ayub“, bestätigt er nach Sichtung eines Fotos des Influencers. „Er war einer der acht Entführer unseres Schiffs; obwohl jung hatte er damals viel Macht.“
Auch eine regierungsnahe Quelle aus Somalia bestätigte gegenüber Kontraste die Beteiligung Ayubs an einer kleineren Piratengruppe jener Zeit.
Diese Verbindung macht deutlich, wie komplex das Profil dieses Geflüchteten ist: Ein mutmaßlich krimineller Akteur mit Einfluss sowohl offline als auch online – dessen Aktivitäten inzwischen Gegenstand deutscher Ermittlungen sind. Die Generalstaatsanwaltschaft Hamburg verweigerte Auskünfte zu laufenden Verfahren mit dem Hinweis: „Hierzu können keine Auskünfte erteilt werden.“
Weitere hetzer aus deutschland fordern gewalt gegen clangegner
Neben Ayub A. agiert ein weiterer prominenter Hass-Influencer namens Yacqwub Siyaad; ebenfalls aus Deutschland heraus aktiv geworden ist Siyaad. Er hat allein auf Facebook über 500 000 Follower. Seine Videos enthalten Hetze gegen Homosexuelle, etwa fordert er offen Gewaltmaßnahmen wie Peitschenhiebe oder Tötungen: „Tötet diese Viecher“, ruft Siyaad dazu auf.
Wie Ayub schürt auch Siyaad Feindschaft zwischen rivalisierenden Clans Somalias. Diese Clanstrukturen sind für viele Somalier identitätsstiftend, führen jedoch immer wieder zu bewaffneten Zusammenstößen. Der Influencer fordert seine Anhänger explizit zum Kriegseinsatz auf: „Zieht in den Krieg! Die Schweine gehören mir“, so seine Worte. Gleichzeitig sammelt Siyaad Spenden zur Finanzierung bewaffneter Kämpfer. Seine Aktivitäten scheinen überwiegend vom Raum Neuss gesteuert zu werden.
Die Düsseldorfer Polizei prüft derzeit mögliche strafrechtliche Konsequenzen wegen Verdachts auf Volksverhetzung. Eine Anfrage bei Siyaad blieb unbeantwortet.
Siyaads Herkunft gleicht jener von Ayub. Auch er kam ursprünglich als Geflüchteter nach Deutschland. Im Jahr 2023 reiste Siyaad zurück nach Somalia. Dort zeigen Videos ihn gemeinsam mit Milizen im Gebiet Puntland. Anschließend kehrte Siyaad wieder nach Deutschland zurück. Die Behörden untersuchen aktuell seinen Aufenthaltsstatus. Medienberichten zufolge wurde Siyaad bereits wegen islamistischer Online-Propaganda dort zu zehn Jahren Haft verurteilt.*
Aktuelle situation ayubs a.: beraterposten trotz fluchtstatus
Währenddessen hält sich Ayub A., laut Informationen von Kontraste, zuletzt überwiegend dauerhaft in seiner Heimatregion Puntland auf. Dort soll Ayub einen hohen Beraterposten innerhalb dieser autonomen Region übernommen haben. Doch kürzlich veröffentlichte Ayub ein Video, das ihn zeigt, wie es scheint, unterwegs auf einer Autobahn in Frankreich.*
Anfragen seitens Kontraste sowie Deutsche Welle blieben unbeantwortet. Dies verdeutlicht weiterhin die schwierige Nachverfolgbarkeit solcher Aktionen trotz internationaler Aufmerksamkeit.*
Video-beitrag zur situation
Ein Video-Beitrag zum Thema steht abrufbar bereit unter dem Titel Deutschland als Rückzugsraum für militante Somalier.*