Zwei deutsche Unternehmen haben innerhalb weniger Tage ihre geplanten Börsengänge in Frankfurt kurzfristig abgesagt. Die Absagen spiegeln die aktuelle Zurückhaltung am Kapitalmarkt wider, die durch geopolitische Unsicherheiten und mangelndes Investoreninteresse geprägt ist.
Absage der börsengänge von autodoc24 und brainlab in frankfurt
Innerhalb von nur sieben Tagen haben zwei bedeutende deutsche Firmen ihren Gang an die Frankfurter Börse abgesagt. Zunächst zog der Online-Händler für Autoersatzteile Autodoc24 seinen Börsengang zurück, gefolgt vom Münchner Medizintechnik-Unternehmen Brainlab, das ebenfalls kurzfristig seine Pläne stoppte. Beide Unternehmen hatten sich auf einen erfolgreichen Start am Kapitalmarkt vorbereitet, doch äußerten sie Bedenken angesichts der aktuellen geopolitischen Lage, die sich negativ auf das Marktumfeld auswirkt.
Die Hauptgründe für die Absagen waren laut Unternehmensangaben eine zu geringe Nachfrage seitens der Investoren sowie ein fehlendes Interesse zum angestrebten Emissionspreis. Diese Entwicklungen sind kein Einzelfall: Weltweit ist im ersten Halbjahr 2025 ein Rückgang bei den Börsengängen zu beobachten. Martin Steinbach von der Strategie-Beratung EY erklärt: „Wir sind mit einem guten Momentum gestartet in das Jahr 2025. Seit Februar mit den neuen Meldungen aus den USA sind Kapitalmärkte sehr sensibel, was da kommt.“ Er betont weiter, dass diese Unsicherheit viele IPO-Pläne bremst und eine verlässliche Planung erschwert.
Die Situation zeigt deutlich, wie stark externe Faktoren wie politische Spannungen oder wirtschaftliche Unwägbarkeiten Einfluss auf Entscheidungen deutscher Unternehmen bezüglich eines Börsengangs nehmen können.
Rückläufige ipo-zahlen in europa im vergleich zu china und usa
Während Europa im ersten Halbjahr 2025 einen Rückgang bei den Börsengängen um etwa 24 Prozent verzeichnete, entwickelten sich China und die USA gegensätzlich positiv mit steigenden Zahlen an Neuemissionen. Dieses unterschiedliche Bild wirft Fragen zur Attraktivität europäischer Kapitalmärkte auf.
Stefan Risse von der Vermögensverwaltung Acatis erläutert: „Damit ein Kapitalmarkt attraktiv ist, müssen Börsengänge stattfinden und ich glaube, wir sind in Europa insgesamt zu klein.“ Er fordert eine stärkere Integration durch eine echte europäische Kapitalmarktunion statt fragmentierter nationaler Märkte wie Deutschland oder Frankreich. Nur so könne man internationale Investoren besser erreichen und mehr Sichtbarkeit schaffen.
In den USA liegt zudem ein großer Vorteil darin, dass viele IPOs grenzüberschreitend stattfinden – sogenannte Crossborder-IPOs –, wodurch Schwächen bei Inlandsnachfragen ausgeglichen werden können. Martin Steinbach ergänzt hierzu: „Die amerikanischen Börsen gewinnen 58 Prozent ihrer Börsengänge aus dem Ausland.“ Dies unterstreicht die Bedeutung einer internationalen Ausrichtung für erfolgreiche Emissionen.
Diese Entwicklung zeigt auch strukturelle Unterschiede zwischen Kontinenten auf: Während Asien und Nordamerika ihre Märkte dynamisch gestalten können, fehlt es Europa bislang an vergleichbarer Größe sowie internationaler Vernetzung seiner Finanzplätze.
Warum deutsche unternehmen oft lieber bankenfinanzierung wählen als ipo
Trotz des Potenzials eines öffentlichen Aktienangebots bevorzugen viele kleine bis mittelständische Unternehmen in Deutschland weiterhin traditionelle Finanzierungswege über Hausbanken gegenüber einem Gang an die Börse. Dieser konservative Ansatz hat historische Gründe sowie praktische Vorteile für Firmen dieser Größenordnung.
Der Mittelstand schätzt vor allem Verlässlichkeit und langfristige Partnerschaften mit Banken als Finanzierungspartnern ohne zusätzlichen Druck durch volatile Aktienmärkte oder strenge regulatorische Anforderungen eines IPO-Prozesses. Zudem gilt ein erfolgreicher börsenbegleiteter Auftritt häufig als komplexes Unterfangen mit hohem Aufwand hinsichtlich Transparenzpflichten sowie Investor Relations-Arbeit nach dem Listing.
Martin Steinbach beschreibt zudem kulturelle Unterschiede zwischen Regionen: In Asien oder den USA wird ein erfolgreicher IPO oft als „Auszeichnung des Lebenswerks“ verstanden – quasi als international sichtbarer Meilenstein einer Unternehmensentwicklung. „Man ist international visibel“, sagt er, während es hierzulande eher noch selten zum primären Ziel zählt.
Diese Präferenzen prägen maßgeblich das Verhalten deutscher Firmen am Kapitalmarkt; sie erklären auch teilweise das zögerliche Verhalten beim Thema öffentliche Eigenkapitalaufnahme trotz günstiger Rahmenbedingungen außerhalb Europas beziehungsweise jenseits nationaler Grenzen wie New York oder Hongkong.