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Ahnenforschung für kriminalfälle: wie polizei in schweden und dänemark mit dna-genealogie mordfälle löst

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Die Nutzung von DNA-Daten aus der Familienforschung gewinnt in der Verbrechensaufklärung zunehmend an Bedeutung. Nach jahrelangem Einsatz in den USA sind entsprechende Methoden nun auch in Schweden und Dänemark gesetzlich erlaubt.

Forensische dna-genealogie als neues ermittlungsmittel in europa

Die forensische DNA-Genealogie verbindet klassische Ahnenforschung mit moderner Kriminaltechnik. Dabei werden DNA-Spuren, die am Tatort gefunden wurden, nicht nur direkt verglichen, sondern über genetische Verwandtschaftsbeziehungen zu anderen Personen gesucht. In den USA hat diese Methode bereits zahlreiche ungelöste Mord- und Sexualdelikte aufgeklärt. Seit dem 1. Juli 2025 erlauben auch Schweden und Dänemark unter strengen gesetzlichen Auflagen den Einsatz dieser Technik bei schweren Straftaten.

Der Ansatz basiert auf Datenbanken, die ursprünglich von privaten Familienforscherinnen und -forschern aufgebaut wurden. Diese speichern freiwillig bereitgestellte DNA-Profile zur Erforschung von Vorfahren oder entfernten Verwandten ab. Die Polizei kann auf solche Daten zugreifen – allerdings nur auf jene Profile, die explizit für Ermittlungen freigegeben wurden.

In Schweden führte ein spektakulärer Fall zur Gesetzesänderung: Ein Mordfall aus dem Jahr 2004 konnte erst nach 16 Jahren mithilfe eines beauftragten Genealogen gelöst werden. Die Ermittler nutzten dabei dieselbe Methode wie bei der Festnahme des sogenannten „Golden State Killers“ in Kalifornien vier Jahre zuvor – eine Kombination aus genealogischer Recherche und forensischer Analyse.

Diese neue Ermittlungsmethode ergänzt traditionelle Polizeiarbeit um einen datenbasierten Ansatz zur Eingrenzung möglicher Tatverdächtiger durch familiäre Beziehungen über mehrere Generationen hinweg.

Fallstudie linköping: mordaufklärung nach jahrzehntelanger suche

Im südschwedischen Linköping ereigneten sich im Jahr 2004 zwei brutale Morde an einem kleinen Jungen sowie einer Frau, die lange Zeit ungeklärt blieben. Trotz umfangreicher Ermittlungen mit rund 9 000 Zeugenbefragungen sowie der Analyse von mehr als 6 500 DNA-Proben konnten keine Täter identifiziert werden.

Erst im Jahr 2020 erfuhren schwedische Ermittler durch Medienberichte vom Erfolg der amerikanischen Polizei bei der Aufklärung des Golden-State-Killers mittels DNA-Genealogie-Datenbanken für Familienforscherinnen und -forscher. Daraufhin engagierten sie einen professionellen Genealogen für eine vergleichbare Suche anhand vorhandener Spuren vom Tatort Linköping.

Innerhalb von nur fünf Wochen gelang es diesem Expertenteam, anhand entfernter verwandtschaftlicher Beziehungen den mutmaßlichen Täter zu identifizieren – ein Cousin dritten Grades des Opfers war verantwortlich gewesen.

Dieser Pilotfall ebnete den Weg für das neue Gesetz zur Nutzung forensischer DNA-Genealogie unter klar definierten Voraussetzungen bei ungelösten Fällen schwerer Gewaltverbrechen wie Mord oder schwerer Vergewaltigung in Schweden sowie vergleichbaren Regelungen in Dänemark etwa bei Terrorismusfällen oder Tötungsdelikten.

Methodik hinter dna-genealogischen ermittlungen

Die Grundlage jeder genealogischen Ermittlung ist die Identifikation entfernter Verwandter anhand gemeinsamer genetischer Merkmale im Vergleich zu einer unbekannten Person am Tatort gefundener DNA-Spur. Dabei sucht man zunächst nach Personen zweiten bis vierten Grades verwandtschaftlich zum gesuchten Täter – beispielsweise Cousins oder Cousinen dritten Grades –, deren Profile sich bereits in öffentlich zugänglichen Datenbanken befinden dürfen.

Anschließend wird versucht, das gemeinsame Vorfahrenpaar dieser Gruppe zu bestimmen – oft Urururgroßeltern –, um dann alle Nachkommen dieses Paares systematisch zu erfassen inklusive Geschwistern ihrer direkten Abstammungslinie samt Kindern und Enkeln bis heute.

So entsteht ein umfassender Stammbaum mit potenziellen Verdächtigen innerhalb aktueller Generationenfamilienzweige. Neben genetischem Material fließen Geburts-, Heirats- sowie Sterbedokumente ein; jüngere Generationen lassen sich zudem über soziale Netzwerke wie Facebook recherchieren.

Abschließend übernimmt die Polizei wieder selbstständig weitere Schritte: Sie vergleicht bekannte Informationen aus dem Stammbaum mit weiteren Indizien vor Ort, führt Befragungen durch und nimmt eigene Proben ab, um letztlich eine eindeutige Übereinstimmung zwischen Tatort-DNA und Verdächtigem herzustellen beziehungsweise auszuschließen.

Ricky Ansell vom Forensikzentrum der Schwedischen Polizei beschreibt diesen Prozess so: „Die Genealogie ist ein stumpfes Werkzeug; es braucht auch reguläre Polizeiarbeit.“ Die Kombination beider Methoden ermöglicht präzise Ergebnisse trotz komplexer familiärer Zusammenhänge über mehrere Generationen hinweg.

Rechtliche rahmenbedingungen für dna-genealogische ermittlungen

Das neu eingeführte schwedische Gesetz regelt streng begrenzte Einsätze forensischer DNA-Genealogie ausschließlich bei besonders schweren Straftaten wie Mord oder schwerer Vergewaltigung – vorausgesetzt alle anderen konventionellen Ermittlungsmethoden sind ausgeschöpft ohne Erfolg geblieben. Zudem muss aufgrund vorhandener biogeographischer Herkunftsdaten eine realistische Chance bestehen, dass relevante genetische Informationen verfügbar sind; dies betrifft vor allem Regionen mit hoher Beteiligung an Ahnenforschungsdatenbanken weltweit verbreiteter Bevölkerungsgruppen europäischer Herkunft etwa Nordamerika oder Nordeuropa.

Dänemark hat ähnliche gesetzliche Vorgaben verabschiedet; dort gilt das Verfahren zusätzlich auch bei Terrorismusfällen neben schweren Gewaltdelikten.

Ein wichtiger Aspekt betrifft Datenschutzregelungen gemäß EU-Grundverordnung . So dürfen personenbezogene Daten nur verarbeitet werden wenn Nutzer ihre ausdrückliche Zustimmung gegeben haben beziehungsweise besondere Ausnahmeregelungen greifen.

Nur zwei große internationale Familienforscher-DNA-Datenbanken erlauben derzeit polizeiliche Zugriffe auf ihre Datensätze: Family Tree DNA sowie GEDmatch . Der Zugriff erfolgt ausschließlich auf jene Profile innerhalb dieser Plattformen welche explizit freigegeben wurden.

In Deutschland existiert bislang keine Initiative zur Anwendung solcher Verfahren im Rahmen sogenannter „Cold Case“-Ermittlungen mithilfe genealogischer Methoden.

Internationale erfolge durch kombination familienforschung und kriminaltechnik

Der Ursprung erfolgreicher Fälle liegt vor allem darin begründet, dass viele Menschen insbesondere in Ländern wie den USA aktiv Familiengeschichte betreiben inklusive freiwilliger Bereitstellung ihrer eigenen DNS-Profile online zum Zwecke genealogischer Forschung.

Dadurch entstehen umfangreiche Stammbäume großer Bevölkerungsgruppen als Referenzmaterial für polizeiliche Suchanfragen.

Seit Einführung dieses Instruments konnten allein amerikanische Behörden mehr als 300 Gewaltverbrecher identifizieren – häufig Jahrzehnte nach Begehung ihrer Taten.

Auch Kanada, Australien sowie europäische Länder wie Frankreich oder Norwegen berichten mittlerweile von erfolgreichen Klärungen alter Mordfälle dank ähnlicher Projekte.

Pilotprojekte laufen aktuell zudem unter anderem in Estland, Tschechien sowie den Niederlanden.

Neben diesen familienbasierten Suchverfahren steht deutschen Strafverfolgungsbehörden weiterhin das sogenannte Familial Searching offen:

Dabei wird innerhalb nationaler Polizeidna-datenbanken geprüft ob nahe Angehörige eines Täters aufgrund ähnlicher Spuren gefunden werden können.

Eine weitergehende Suche basierend auf entfernten verwandtschaftlichen Beziehungen ist hierzulande jedoch nicht möglich da deutsche Behörden andere Analysemethoden verwenden als private Forschungsplattformen.

Darüber hinaus erlaubt deutsche Rechtsmedizin zwar Aussagen zu Alter sowie Augen-, Haar- bzw. Hautfarbe anhand molekularbiologischer Analysen,

doch Herkunftsbestimmungen bleiben meist unberücksichtigt da Justizministerien dies bislang ablehnen.

Diese Einschränkungen erschweren teilweise gezielte Fahndungen insbesondere wenn Täterprofil noch unbekannt ist aber Hinweise auf ethnisch-kulturelle Zugehörigkeit hilfreich wären.

Zusammenfassend zeigt sich international wachsendes Interesse an innovativen Kombinationsmethoden zwischen Ahnenforschungstechniken und klassischem kriminalpolizeilichem Vorgehen zur Lösung langjähriger Kriminalfälle mittels modernster Genetiktechnologie.

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