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Opposition in der türkei unter druck durch verhaftungen und gewalt – trotz repression bleibt hoffnung in istanbul

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Die politische Lage in der Türkei spitzt sich weiter zu, nachdem der Istanbuler Bürgermeister Ekrem İmamoğlu vor 100 Tagen festgenommen wurde. Trotz massiver Repressionen und zahlreichen Verhaftungen mobilisiert die Opposition weiterhin große Teile der Bevölkerung.

Proteste nach festnahme von ekrem İmamoğlu – junge generation als treibende kraft

Im März 2025 sorgte die Festnahme des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem İmamoğlu für eine Welle von Protesten, die vor allem von jungen Menschen getragen wurden. Die 19-jährige Politikwissenschaftsstudentin Eda an der Yeditepe-Universität Istanbul organisierte spontan Demonstrationen mit Kommilitoninnen. Ursprünglich erwartete sie etwa 50 Teilnehmende, doch es kamen rund 350 Personen zusammen. Dieses Ereignis am Rathaus im Stadtteil Saraçhane war für viele ein symbolischer Moment des Widerstands.

Die Proteste weiteten sich schnell aus: Studierende verschiedener Universitäten schlossen sich zusammen und bildeten eine breite Bewegung gegen die Regierungspolitik. Für Eda war diese Zeit besonders prägend:
„Ich fühlte mich unglaublich stark – und sehr zufrieden“, erinnert sie sich an das Treffen mit Hunderten Gleichgesinnten.

In den darauffolgenden Tagen gingen Hunderttausende Menschen auf die Straßen Istanbuls und anderer Städte. Diese Massenproteste waren die größten seit über einem Jahrzehnt in der Türkei. Sie richteten sich nicht mehr nur gegen die Festnahme von İmamoğlu, sondern forderten den Rücktritt der gesamten Regierung unter Präsident Recep Tayyip Erdogan.

Staatliche repression und auswirkungen auf oppositionelle aktivisten

Der türkische Staat reagierte mit harter Hand auf den wachsenden Protestdruck: Polizeigewalt sowie zahlreiche Festnahmen prägten das Bild vieler Demonstrationen. Auch junge Aktivistinnen wie Eda blieben davon nicht verschont. Sie berichtet von einer nächtlichen Hausdurchsuchung um fünf Uhr morgens durch sechs Polizisten, bei denen sie noch Glück hatte, freundlich behandelt zu werden.

Nach dieser Aktion wurde sie unter Hausarrest gestellt; im September begann ein Prozess gegen sie wegen unerlaubter Teilnahme an einer verbotenen Demonstration. Solche Maßnahmen sind Teil eines umfassenden Vorgehens gegen oppositionelle Kräfte in Istanbul und anderen Städten.

Festnahmen und politische folgen

Neben einzelnen Aktivistinnen wurden auch zahlreiche Mitarbeitende der Stadtverwaltung festgenommen oder abgesetzt – insbesondere jene aus dem Umfeld des Bürgermeisters İmamoğlu beziehungsweise seiner Partei CHP . In mehreren Verhaftungswellen gab es Korruptionsvorwürfe gegen städtische Angestellte sowie Verfahren gegen führende Politiker wie Parteivorsitzenden Özgür Özel.

Trotz dieser Repressionen ruft die CHP weiterhin regelmäßig zu Kundgebungen auf, etwa mittwochs in Istanbul oder am Wochenende landesweit in anderen Städten. Zwar sind diese Versammlungen kleiner als zu Beginn des Jahres, ziehen aber immer noch Tausende Menschen an.

Politische bewertung und aussichten laut experten

Der Politikwissenschaftler Berk Esen, Professor an der Sabanci-Universität Istanbul, bewertet das Vorgehen staatlicher Stellen kritisch: Laut Umfragen halten rund 60 bis 65 Prozent aller Wähler diese Ermittlungen für politisch motiviert ohne substanzielle Grundlage – ein erheblicher Imageschaden für Präsident Erdogan und seine Regierung.

İmamoğlus Popularität bleibe trotz Haft ungebrochen; er genieße weiterhin breite Unterstützung innerhalb großer Bevölkerungsteile. Gleichzeitig sieht Esen hinter den juristischen Angriffen keine unabhängige Justizentscheidung sondern einen gezielten Versuch Erdogans zur Schwächung seiner politischen Gegner:

„Die Aberkennung von İmamoğlus Diplom, dann seine Verhaftung sowie weitere Inhaftierungen innerhalb seiner Partei zeigen verzweifelte Schritte Erdogans.“

Ein zusätzlicher Druckpunkt entsteht durch einen Gerichtsprozess gegen CHP-Chef Özel wegen angeblich erkaufter Wahlstimmen beim Parteitag im Jahr 2023. Sollte Özel verurteilt werden, könnte sein Vorgänger Kemal Kilicdaroglu wieder eingesetzt werden – was viele als strategischen Schachzug Erdogans interpretieren: Kilicdaroglu gilt als weniger gefährlicher Gegenkandidat bei künftigen Wahlen im Vergleich zum dynamischeren Özel, unter dessen Führung die CHP zuletzt Erfolge erzielte.

Für Esen handelt es sich um einen Abnutzungskampf zwischen Opposition und Regierung mit offenem Ausgang: Ob Oppositionsparteien dem zunehmenden Druck standhalten können oder zerbrechen wird entscheidend sein für den weiteren Verlauf bis zur nächsten regulären Wahl im Jahr 2028.

Gesellschaftliche perspektiven zwischen repression und hoffnung

Trotz aller Widrigkeiten bleibt bei vielen jungen Menschen Hoffnung bestehen – so auch bei Studentin Eda aus Istanbul:

„Ich will eine bessere Zukunft“, sagt sie offen über ihre Erwartungen angesichts unsicherer politischer Lage. „Es hängt davon ab, ob sich etwas verändert oder nicht.“

Am Jahrestag von İmamoğlus Verhaftung hat ihre Partei heute Abend erneut zu einer Großkundgebung am Rathaus Saraçhane eingeladen; ein Zeichen dafür, dass Widerstand lebendig bleibt trotz massiver Einschränkungen durch Polizeiaktionen sowie gerichtliche Verfahren gegenüber Oppositionspolitikern.

Diese Entwicklungen spiegeln wider, wie tiefgreifend derzeit gesellschaftliche Spannungen sind zwischen autoritären Staatsstrukturen einerseits sowie demokratischen Bewegungen andererseits – insbesondere getragen vom Engagement junger Generationen innerhalb großer Metropolen wie Istanbul.

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