Das Wattenmeer gilt als bedeutende Kinderstube für Kegelrobben, die sich in der südlichen Nordsee zunehmend vermehren. Neue Zählungen aus Deutschland, Dänemark und den Niederlanden zeigen einen anhaltenden Aufwärtstrend bei den Beständen dieser größten Raubtiere Deutschlands.
Kontinuierlicher bestandsanstieg der kegelrobben im wattenmeer
Die aktuellen Erhebungen des Wattenmeersekretariats in Wilhelmshaven belegen eine stetige Zunahme der Kegelrobbenpopulationen im Wattenmeer von Deutschland, Dänemark und den Niederlanden sowie auf Helgoland. In den vergangenen fünf Jahren stieg die Gesamtzahl der Tiere jährlich um durchschnittlich knapp zehn Prozent. Besonders auffällig ist das Wachstum bei neugeborenen Robben, deren Anzahl sich im gleichen Zeitraum um rund zwölf Prozent pro Jahr erhöhte.
Jessica Schop, Hauptautorin des jüngsten Zählberichts, betont: „Dieses kontinuierliche Wachstum spiegelt die Bedeutung des Wattenmeeres als wichtigen Lebensraum für Kegelrobben wider.“ Die positive Entwicklung wird als Indikator für einen effektiven Schutzstatus des Nationalparks Wattenmeer gewertet. Dort finden die Robben ausreichend Nahrung sowie Sandbänke zur ungestörten Ruhe – Bedingungen ähnlich denen für Seehunde.
Kegelrobben waren vor über 100 Jahren durch intensive Bejagung nahezu ausgerottet. Erst seit Mitte des 20. Jahrhunderts kehren sie aus britischen Gewässern zurück ins UNESCO-Weltnaturerbe Wattenmeer und erholen sich seither kontinuierlich.
Zählergebnisse und verteilung in regionen
Die Zählungen während der Saison 2024/2025 ergaben insgesamt 12 064 Kegelrobben mit einem Rekordwert von 3 051 Neugeborenen – dem höchsten Stand seit Beginn gemeinsamer länderübergreifender Erfassungen im Jahr 2008. Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Zahl der Jungtiere um etwa zwanzig Prozent an.
Die Erfassung erfolgt halbjährlich: Von November bis Januar werden Jungtiere während ihrer Geburtensaison per Flugzeug gezählt; ihr weißes Fell macht sie auf Sandbänken gut sichtbar aus der Luft. Eine weitere Gesamtzählung findet im Frühjahr beim Fellwechsel statt.
Der Großteil mit rund 8 600 Tieren lebt im niederländischen Wattenmeer . Das niedersächsische Gebiet beherbergt etwa 1 500 Robben , Helgoland rund 1 000 Tiere . Weitere Populationen verteilen sich auf Schleswig-Holstein sowie das dänische Wattenmeer mit jeweils mehreren Hundert Exemplaren.
Unterschiedliche entwicklungstrends in teilregionen
Innerhalb des Verbreitungsgebiets zeigen sich verschiedene Trends: Im schleswig-holsteinischen Teil nahm die Zahl der Kegelrobben zum zweiten Mal hintereinander stark zu – zuletzt um beeindruckende 74,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Demgegenüber sank die Population auf Helgoland deutlich um etwa 37 Prozent verglichen mit dem Zeitraum zuvor.
Im dänischen Wattenmeer wurden ebenfalls weniger Tiere gezählt, während sowohl das niederländische als auch das niedersächsische Gebiet wachsende Bestände verzeichnen konnten. Diese regional unterschiedlichen Entwicklungen verdeutlichen komplexe ökologische Dynamiken innerhalb eines zusammenhängenden Lebensraums.
Das Wattenmeersekretariat fordert daher vertiefte Studien zu zeitlichen wie räumlichen Veränderungen unter Einbeziehung angrenzender Gebiete wie Großbritannien – wo zahlreiche Nordseekegelrobben leben –, um Ursachen besser zu verstehen und Schutzmaßnahmen anzupassen.
Jessica Schop erklärt dazu: „Für absolute Bestandsschätzungen sind mehr Informationen über Verhalten und Bewegungsmuster erforderlich.“ Die Daten bilden eine wichtige Grundlage für zukünftige Naturschutzstrategien in allen Anrainerstaaten des Weltnaturerbes.
Seehundbestände trotz geburtszahlen rückläufig
Neben Kegelrobben werden auch Seehunde regelmäßig erfasst; aktuell laufen entsprechende Zählflüge an Niedersachsens Küste. Bei dieser häufigeren Robbe zeigt sich jedoch ein gegenteiliger Trend: Trotz weiterhin hoher Geburtszahlen nimmt ihr Gesamtbestand seit einigen Jahren ab.
Ursula Siebert von der Tierärztlichen Hochschule Hannover erläutert: „Wir wissen nicht genau, wohin die Jungtiere verschwinden.“ Verschiedene Hypothesen werden untersucht: Möglicherweise nutzen junge Seehunde andere Habitate außerhalb des Watts oder sterben vermehrt aufgrund von Umwelteinflüssen in bestimmten Altersgruppen ab.
Ein weiterer Faktor könnte sein, dass steigende Kegelrobbestände negative Auswirkungen haben könnten; bekannt ist inzwischen auch Jagdverhalten von Kegeln gegenüber Seehunden neben Fischfangaktivitäten seit einigen Jahren dokumentiert wurde.
Siebert fordert verstärkte grenzüberschreitende Forschung zur besseren Datenerhebung über Länder- und Nationalparkgrenzen hinweg: „Je mehr Daten man sammelt und gemeinsam auswertet, desto klarer wird unser Bild.“ Nur so lassen sich langfristig wirksame Schutzkonzepte entwickeln.