Die Frauenfußball-Europameisterschaft 2025 findet erstmals in der Schweiz statt und wirft ein Schlaglicht auf bestehende Geschlechterklischees sowie gesellschaftliche Herausforderungen. Trotz steigender Aufmerksamkeit bleibt die Gleichberechtigung im Fußball ein Thema, das weit über den Sport hinausgeht.
Geschlechterklischees im frauenfußball: werbespot von miele sorgt für diskussionen
Ein aktueller Werbespot des deutschen Geräteherstellers Miele hat erneut verdeutlicht, wie tief verwurzelt traditionelle Rollenbilder im Frauenfußball noch sind. Der Spot zeigt mehrere Fußballerinnen beim Training, darunter die Schweizer Nationalspielerin Naomi Luyet. Eine Off-Stimme sagt: „Wir wollen nie aufhören, besser zu werden. Auf und neben dem Spielfeld.“ Im Anschluss sind zwei Waschmaschinen zu sehen – eine Bildsprache, die kaum misszuverstehen ist.
Die Botschaft suggeriert indirekt, dass Frauen zwar Fußball spielen dürfen oder sollen, aber gleichzeitig weiterhin für Hausarbeit zuständig bleiben. Gerade weil Miele offizieller Werbepartner der Frauenfußball-EM ist, wirkt diese Darstellung besonders unsensibel gegenüber den Bemühungen um Gleichstellung im Sport. Der Spot offenbart einen Widerspruch zwischen modernem Sportimage und traditionellen Geschlechterrollen.
Diese Werbung zeigt exemplarisch auf, wie viel Arbeit noch vor dem Frauenfußball liegt – trotz wachsender Zuschauerzahlen und verkaufter Tickets bei internationalen Turnieren. Die Diskrepanz zwischen sportlicher Anerkennung und gesellschaftlichen Erwartungen bleibt bestehen.
Gesellschaftlicher hintergrund der em austragung in der schweiz
Dass die EM erstmals in der Schweiz ausgetragen wird, ist symbolisch bedeutsam für das Verhältnis von Gesellschaft und Gleichberechtigung dort. Die Schweiz hat eine vergleichsweise späte Geschichte bei Emanzipationsrechten: Das Wahlrecht für Frauen wurde erst 1971 auf Bundesebene eingeführt; einige Kantone wie Appenzell Innerrhoden zogen sogar erst 1990 nach.
Auch familienpolitisch gibt es deutliche Unterschiede zu anderen europäischen Ländern: Mutterschutz besteht nur für 14 Wochen; Elternzeit fehlt vollständig. Dies führt dazu, dass viele Eltern ihre Babys bereits mit sechs Wochen in Kindertagesstätten geben müssen – sofern sie finanzielle Einbußen oder Karriereknicke vermeiden wollen. Die Kosten dafür liegen bei etwa 130 Franken pro Tag.
Diese Rahmenbedingungen wirken sich auch auf den Arbeitsmarkt aus: Laut aktuellen Zahlen des Schweizer Bundesamts für Statistik verdienen Frauen weiterhin weniger als Männer und arbeiten häufiger Teilzeit – insbesondere außerhalb des Niedriglohnsektors. Zwar steigen die Löhne von Frauen schneller als jene ihrer männlichen Kollegen; strukturelle Ungleichheiten bleiben jedoch bestehen.
Im Kontext dieser sozialen Realität gewinnt auch die Austragung einer großen Frauensportveranstaltung an Bedeutung als Spiegelbild gesellschaftlicher Entwicklungen sowie als Impulsgeber zur Diskussion über Gleichstellungsthemen.
Sportliche perspektiven und öffentliches interesse an der em
Sportlich gesehen verspricht die EM spannende Begegnungen mit insgesamt 16 Teams aus ganz Europa; England tritt als Titelverteidiger an, Spanien gilt als amtierender Weltmeisterin ebenso favorisiert wie Deutschland mit seinen Terminen im Turnierplan.
Trotzdem fällt das öffentliche Interesse in Teilen der Schweiz bislang verhalten aus – was sich unter anderem daran zeigt, dass weder das Eröffnungsspiel noch das Finale in Zürich stattfinden werden. Stattdessen übernimmt Basel diese Rolle als Turnierhauptstadt bereitwillig; dies wirkt angesichts Zürichs Bedeutung überraschend zurückhaltend.
Der zuständige Bundesrat Martin Pfister äußerte sich bisher kaum öffentlich zum Turniergeschehen oder zur Förderung des Frauensports allgemein. Auch sportliche Rückschläge wie eine deutliche Testspielniederlage Schwedens gegen eine männliche U15-Auswahl trübten vorab etwas die Stimmung rund um das Event.
Die ehemalige Trainerin sowohl der deutschen als auch Schweizer Frauennationalmannschaft Martina Voss-Tecklenburg betonte kürzlich gegenüber der Neuen Zürcher Zeitung, dass Erfolge von Frauenteams oft wenig mediale Beachtung fänden: „Die Wahrheit ist, dass der Frauenfußball noch lange nicht gleichberechtigt ist“, sagte sie weiter – „sondern sich immer noch gegen einen sehr überdimensionierten Männerfußball behaupten muss.“
Diese Aussagen spiegeln widerkehrende Herausforderungen wider: Weniger Spielberichte sowie geringere Sichtbarkeit erschweren es dem Frauensport weiterhin erheblich aufzuholen trotz steigender Qualität und wachsender Fangemeinde weltweit.
Fußball zwischen spiegelbild gesellschaftlicher realitäten und erzählerischer kraft
Fußball fungiert nicht nur als Spiegelbild sozialer Strukturen sondern kann darüber hinaus Geschichten erzählen – Geschichten vom Kampf um Anerkennung ebenso wie vom Fortschritt hin zu mehr Gleichheit innerhalb eines traditionsreichen Sportsystems.
Die EM-Frauen-Schweiz steht damit exemplarisch für einen Prozess voller Widersprüche zwischen Traditionen einerseits sowie neuen Chancen andererseits:
Auf dem Spielfeld zeigen Spielerinnen ihr Können unter hohen Erwartungen; abseits davon prallen alte Rollenbilder weiter auf moderne Ansprüche an Selbstbestimmung und Chancengleichheit – sichtbar etwa durch Werbekampagnen oder politische Rahmenbedingungen rund um Familie & Berufstätigkeit innerhalb eines wohlhabenden Landes mit konservativen Strukturen zugleich.
Das Ereignis bietet Gelegenheit zur Reflexion darüber hinausgehend:
Wie gelingt es Gesellschaften wirklich nachhaltig gleiche Bedingungen herzustellen? Wie verändern große Sportevents Wahrnehmungen? Und welche Rolle spielen Medien dabei?
Währenddessen schreibt sich gerade erst Geschichte neu – sowohl im Stadion selbst als auch jenseits davon.