Die deutsche Entwicklungsministerin Reem Alabali Radovan hat das Engagement Deutschlands in der internationalen Entwicklungshilfe trotz erheblicher Budgetkürzungen erneut bestätigt. Im Interview mit den tagesthemen betonte sie die Bedeutung einer verlässlichen Partnerschaft und die Notwendigkeit, globale Herausforderungen gemeinsam anzugehen.
Deutsches engagement in der entwicklungshilfe unter druck
Die internationale Entwicklungshilfe steht aktuell vor großen Herausforderungen, da mehrere Geberländer ihre Finanzierungen reduzieren. Reem Alabali Radovan, Bundesentwicklungsministerin und Mitglied der SPD, erklärte im Interview mit den tagesthemen, dass die Entwicklungszusammenarbeit sowohl national als auch international unter massivem Druck stehe. Besonders deutlich wurde dies durch den Rückzug der USA aus ihrer bisherigen Förderrolle. Die Vereinigten Staaten haben ihre Mittel für internationale Hilfsprogramme drastisch gekürzt, was eine Lücke hinterlässt, die weder Deutschland noch andere europäische Länder vollständig schließen können.
Auch Länder wie Frankreich und Großbritannien haben ihre Budgets für Entwicklungshilfe reduziert, da sie gleichzeitig ihre Verteidigungsausgaben erhöhen. Trotz dieser Einschnitte versicherte Alabali Radovan: „Wir bleiben verlässlicher Partner.“ Der Haushalt des Bundesentwicklungsministeriums zeige klar auf, dass Deutschland weiterhin engagiert bleibe – wenn auch mit einem geringeren Volumen als zuvor.
Für das Ministerium stehen Krisenprävention und Friedenssicherung im Mittelpunkt des Engagements. Die verbleibenden rund zehn Milliarden Euro für Entwicklungszusammenarbeit seien keineswegs wenig Geld angesichts globaler Herausforderungen wie Fluchtursachenbekämpfung oder Unterstützung von Anrainerstaaten großer Flüchtlingsbewegungen etwa im Libanon oder Jordanien.
Alabali Radovan hob hervor: „Mir geht es darum, dass Menschen vor Ort Perspektiven bekommen, damit sie nicht fliehen müssen.“ Migration ende nicht an deutschen Grenzen; deshalb müsse man international denken und handeln.
Mehr selbsthilfe und effektivität bei begrenzten mitteln
Angesichts knapper werdender Ressourcen fordert die Ministerin eine stärkere Eigenverantwortung der Entwicklungsländer sowie mehr private Investitionen zur Ergänzung staatlicher Mittel. Sie betonte: „Es geht darum, dass wir niemanden zurücklassen.“ Gleichzeitig müssten gerechte Steuersysteme in Ländern des globalen Südens gefördert werden, um deren eigene Finanzierungsmöglichkeiten zu verbessern.
Darüber hinaus sei eine effizientere Arbeitsweise innerhalb der deutschen Entwicklungsbehörde notwendig. Aufgrund finanzieller Einschränkungen könne Deutschland nicht überall gleich stark präsent sein. Deshalb werde geprüft, welche Instrumente besonders wirkungsvoll sind und wo ein strategischer Rückzug sinnvoll erscheint.
Diese Neuausrichtung soll sicherstellen, dass trotz Kürzungen nachhaltige Fortschritte erzielt werden können – insbesondere bei Themen wie Fluchtursachenbekämpfung oder Förderung von Frieden und Stabilität weltweit.
Un-entwicklungskonferenz in sevilla
In Sevilla findet derzeit eine wichtige UN-Entwicklungskonferenz statt; dort kommen über 4 000 Vertreter aus Politik, Wirtschaft sowie Zivilgesellschaft zusammen – darunter auch die deutsche Delegation unter Leitung von Reem Alabali Radovan. Ziel ist es unter anderem neue Impulse für die Entwicklungsfinanzierung zu setzen und Wege zu finden, um trotz Spardrucks bis 2030 die UN-Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.
Am ersten Tag bekannten sich alle Teilnehmer zur sogenannten Verpflichtung von Sevilla – einem gemeinsamen Bekenntnis zur Umsetzung dieser Ziele bis zum Jahr 2030. Auffällig war jedoch das Fehlen einer US-Delegation als Symbol für den Rückzug Washingtons aus vielen internationalen Hilfsprogrammen seit Beginn der Trump-Regierung mit massiven Kürzungen bei USAID-Fördermitteln um über 80 Prozent.
Der UN-Generalsekretär António Guterres warnte eindringlich vor den Folgen dieses Trends: Zwei Drittel aller Nachhaltigkeitsziele seien derzeit gefährdet; jährlich müssten vier Billionen Dollar investiert werden – andernfalls drohten negative Auswirkungen auf Impfprogramme für Kinder sowie Bildungschancen insbesondere von Mädchen ebenso wie zunehmende Hungerkrisen weltweit.
Guterres appellierte eindringlich daran „den Entwicklungsmotor wieder anzufahren“ angesichts wachsender Ungleichheiten sowie Klimakrisen in einer Welt voller Konflikte: „Wir leben in einer Welt, in der das Vertrauen zerbröckelt“; Multilateralismus werde auf harte Probe gestellt – Investitionen müssten dringend beschleunigt werden.
Reformbedarf bei internationaler finanzordnung im fokus
Ein zentrales Thema während der Konferenz ist zudem eine umfassende Reform der internationalen Finanzordnung zugunsten ärmerer Länder des globalen Südens. Diese leiden zunehmend unter hoher Schuldenlast; diese behindert Fortschritte etwa beim Zugang zu Gesundheitssystemen oder Bildungseinrichtungen erheblich.
Bereits vor dem Treffen hatten sich fast alle teilnehmenden Staaten außer den USA auf einen Entwurf geeinigt – bekannt als Verpflichtung von Sevilla –, welcher Maßnahmen vorsieht zur besseren Unterstützung verschuldeter Länder durch internationale Institutionen sowie verbesserte Zusammenarbeit gegen Steuerhinterziehung weltweit.
Weiterhin fordern Experten eine Neugestaltung bestehender Finanzarchitekturen mit stärkerer Beteiligung südlicher Staaten an Entscheidungsprozessen innerhalb wichtiger Finanzinstitutionen wie Weltbank oder Internationalem Währungsfonds . Zudem sollen Entwicklungsbanken ihre Kreditvergaben deutlich erhöhen – konkret wird ein Dreifach-Anstieg angestrebt –, um soziale Ausgaben planbar abzusichern.
Diese Diskussion zeigt deutlich: Trotz schwieriger Rahmenbedingungen bleibt das Thema nachhaltige globale Entwicklung hochaktuell und erfordert koordinierte Antworten aller Akteure auf politischer Ebene ebenso wie wirtschaftlicher Partner weltweit.