Die aktuelle Debatte in Deutschland dreht sich um den Ausbau moderner Luftabwehrsysteme und die Stärkung der nuklearen Abschreckung auf europäischer Ebene. Führende Politiker fordern präzise Verteidigungswaffen, während Friedensforscher vor einem erneuten Wettrüsten warnen.
Forderungen nach präzisen luftabwehrsystemen für deutschland
Der Vorsitzende der CSU, Markus Söder, betonte gegenüber der Bild am Sonntag die Notwendigkeit eines umfassenden Schutzschilds für Deutschland, das insbesondere Präzisionswaffen umfasst. Er sprach von einem Drohnen-Arsenal mit 100 000 Einheiten sowie einem Abwehrschild nach dem Vorbild des israelischen „Iron Dome“. Neben diesen Systemen nannte er weitere wichtige Ausrüstungen wie Panzer, Eurofighter-Kampfjets, Patriot-Abwehrraketen und Taurus-Raketen speziell für den deutschen Einsatz. Söder unterstrich die Bedeutung der Verteidigung von Freiheit „insbesondere in der Luft und im All“.
Parallel dazu äußerte sich Unionsfraktionschef Jens Spahn gegenüber der Welt am Sonntag. Er fordert ein europäisches Atomwaffen-Abwehrsystem unter deutscher Führung. Spahn argumentiert, dass Europa ohne eigene nukleare Abschreckung zum Spielball internationaler Machtpolitik werde. Bereits im Mai hatte Bundeskanzler Friedrich Merz Gespräche mit den europäischen Atommächten Großbritannien und Frankreich angekündigt, um eine gemeinsame atomare Abschreckung zu entwickeln – als Ergänzung zum US-amerikanischen Schutzschirm.
Deutschland beteiligt sich im Rahmen der sogenannten nuklearen Teilhabe an dieser Strategie durch Bereitstellung von Kampfflugzeugen. Im Ernstfall können diese Flugzeuge mit US-Atombomben bestückt werden, welche auf deutschem Boden lagern.
Warnungen vor eskalation des nuklearen wettrüstens
Mehrere Friedensorganisationen äußern deutliche Kritik an einer möglichen Ausweitung europäischer Nuklearstreitkräfte durch Frankreich und Großbritannien sowie deren Partnerstaaten. Sie mahnen zur Stärkung internationaler Verträge gegen Atomwaffen statt deren Schwächung – gerade angesichts einer erhöhten Gefahr eines Atomkriegs.
Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri berichtete 2024 über intensive Modernisierungsprogramme fast aller Atommächte weltweit. Diese Staaten rüsten bestehende Waffen auf oder entwickeln neue Versionen ihrer Nukleararsenalien weiter. Sipri-Experte Matt Korda verwies zudem auf jüngste Konflikte zwischen Indien und Pakistan als Beleg dafür, dass Atomwaffen keine Garantie zur Vermeidung militärischer Auseinandersetzungen bieten.
Auch die Umweltschutzorganisation Greenpeace kritisierte Deutschlands Rolle bei dieser Aufrüstung scharf: Der Kauf atomwaffenfähiger F-35-Kampfjets für die nukleare Teilhabe mache das Land selbst zum Akteur einer global wachsenden Rüstungsspirale, so Abrüstungsexperte Alexander Lurz.
Rückzug aus abrüstungsverträgen verschärft sicherheitspolitische lage
In den vergangenen Jahren kam es zu mehreren Kündigungen wichtiger Abrüstungs- und Kontrollverträge zwischen großen Militärmächten. So kündigten die USA unter Präsident Trump 2019 zunächst den INF-Vertrag über landgestützte Kurz- und Mittelstreckenraketen auf; ein Jahr später folgte ihr Rückzug aus dem Vertrag „Open Skies“ über militärische Beobachtungsflüge.
Als Reaktion erklärte auch Russland seinen Austritt aus diesem Vertrag sowie 2022 seinen Rückzug aus dem Vertrag über konventionelle Streitkräfte in Europa nach Beginn des Ukraine-Konflikts. Zudem setzte Moskau den letzten bedeutenden atomaren Abrüstungsvertrag „New Start“ mit den USA außer Kraft; Nachfolgegespräche blieben bisher erfolglos.
Ohne eine Einigung läuft dieser Vertrag voraussichtlich im Februar 2026 aus – was erhebliche Auswirkungen auf globale Sicherheitsarchitekturen haben könnte.
Internationale übersicht: neun staatliche atommächte weltweit
Weltweit gelten derzeit neun Staaten offiziell als Atommacht: Die Vereinigten Staaten von Amerika sowie Russland bilden dabei das größte Arsenal ab; hinzu kommen Großbritannien, Frankreich, China, Indien, Pakistan sowie Nordkorea als weitere bestätigte Nuklearmächte.
Israel wird zwar öffentlich nicht bestätigt als Besitzer von Kernwaffen geführt; Experten gehen jedoch davon aus, dass das Land ebenfalls über ein eigenes Nukleararsenal verfügt – trotz offizieller Dementi bleibt dies Gegenstand internationaler Spekulationen.
Diese Nachricht wurde am 29.06.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.