Seit Beginn des Kriegs zwischen Iran und Israel hat die iranische Führung eine umfassende Verhaftungswelle gestartet. Die Maßnahmen zielen darauf ab, Kontrolle zu demonstrieren und regimekritische Stimmen im Inland einzuschüchtern.
Massenverhaftungen seit kriegsbeginn
Mindestens 700 Personen wurden seit Ausbruch der Feindseligkeiten zwischen Iran und Israel festgenommen, wie die Menschenrechtsorganisation Hengaw mit Sitz in Norwegen ermittelt hat. Diese Zahl verdeutlicht das Ausmaß der Repression im Land. Ein prominentes Beispiel ist der Sänger Danial Moghaddam aus Teheran, der bereits während der Proteste unter dem Motto „Frau, Leben, Freiheit“ in den Jahren 2022 bis 2023 aktiv war. Nach seiner Inhaftierung musste er eine elektronische Fußfessel tragen. Seine Social-Media-Profile enthalten weiterhin kritische Beiträge und Videos zum politischen Geschehen.
Mehrere Menschenrechtsgruppen berichten von seiner erneuten Festnahme Anfang dieser Woche. Über den genauen Haftort oder die Vorwürfe gegen ihn liegen bislang keine verlässlichen Informationen vor. Auch Angehörige erhalten häufig keine Auskünfte über Dauer oder Bedingungen der Inhaftierung.
Die Berichterstattung in iranischen Medien bestätigt nahezu täglich neue Festnahmen. Die Anschuldigungen reichen von Spionage für Israel über Zusammenarbeit mit dem Mossad bis hin zur „Verbreitung von Angst“ sowie Störung des mentalen Friedens in der Öffentlichkeit – Vorwürfe, die oft schwer unabhängig überprüfbar sind.
Neben bekannten Regimekritikern geraten auch Personen ins Visier, die Bilder oder Videos von israelischen Luftangriffen auf sozialen Plattformen teilen. Die restriktive Informationspolitik erschwert es zudem Familienangehörigen erheblich, Kontakt zu den Inhaftierten zu halten oder deren Schicksal nachzuvollziehen.
Hinrichtungen als machtpolitisches signal
Die Anklagen wegen Spionage für Israel sind besonders gravierend in einem Land wie dem Iran, dessen Sicherheitsapparat durch israelische Geheimdienste offenbar stark kompromittiert wurde. Im Interview mit dem ARD-Studio Istanbul erklärt Awyar Shekhi, Vertreterin von Hengaw: „Wenn Sie der Spionage für Israel angeklagt werden, kann dies zu verschiedenen Strafen führen, einschließlich der Hinrichtung.“
Seit dem 13. Juni wurden mindestens sechs Personen wegen angeblicher Spionage hingerichtet; drei davon nach Beginn einer Waffenruhe am 24. Juni – allesamt ältere Fälle aus Sicht des Regimes zur Abschreckung genutzt.
Zusätzlich finden weitere Hinrichtungen aufgrund von Drogen- oder Gewaltvergehen statt; schon vor Kriegsbeginn gehörte Iran weltweit zu den Ländern mit den meisten Todesurteilen pro Jahr laut Menschenrechtsorganisationen.
Besonders gefährdet ist unter anderem der schwedisch-iranische Mediziner Ahmadreza Djalali, so berichtet Hussein Baoumi von Amnesty International gegenüber ARD-Studio Istanbul: Er wurde 2016 verhaftet und wegen angeblicher Spionage zum Tode verurteilt – ein Urteil basierend auf einem unfairen Scheinprozess.
Baoumi betont: „Die Familien dieser Inhaftierten sind äußerst besorgt darüber, dass sie jederzeit hingerichtet werden könnten – nur um eine Botschaft von Kontrolle und Macht seitens iranischer Behörden auszusenden.“
Sondereinheiten zur überwachung kritischer stimmen
Der Machtapparat setzt nicht nur auf klassische Mittel repressiver Staatsführung; während laufender Gefechte berichtete die halbstaatliche Nachrichtenagentur ISNA über Einrichtung einer Task-Force bei Staatsanwaltschaft Teheran zur Überwachung des Internets sowie Medieninhalte mit offizieller Zielsetzung „öffentliche Sicherheit gewährleisten“.
Darüber hinaus sollen spezielle Justizabteilungen an Provinzgerichten geschaffen werden; diese befassen sich ausschließlich mit Fällen außergewöhnlicher Zusammenarbeit mit Israel außerhalb regulärer Verfahren.
Für Hussein Baoumi stellt dies eine typische Reaktion dar: „Diese Taktik wenden iranische Behörden immer dann an, wenn sie sich bedroht fühlen.“ Bereits während früherer Protestwellen habe man ähnliche Vorgehensweisen beobachtet – stets verbunden mit Einschränkungen grundlegender Rechte Angeklagter sowie verstärkter Kontrolle gesellschaftlicher Kommunikation.
Solche Maßnahmen führen dazu, dass ohnehin eingeschränkte Rechtsgarantien weiter beschnitten werden und politische Gegner kaum noch Schutz genießen können.
Kontrollpunkte auf straßen als sichtbares machtzeichen
Parallel zur juristischen Verfolgung zeigt sich das harte Durchgreifen auch im öffentlichen Raum: Innerhalb kurzer Zeit errichteten bewaffnete Milizen wie Basidsch-Kräfte zahlreiche Kontrollpunkte an Straßenkreuzungen vieler Städte im Iran – insbesondere junge Männer müssen Personenkontrollen inklusive Kofferraumdurchsuchung über sich ergehen lassen; teils bilden sich lange Warteschlangen vor diesen Posten.
Obwohl diese Checkpoints nach Ende aktiver Kampfhandlungen langsam zurückgebaut werden sollen, verschärfen staatliche Stellen gleichzeitig ihre Warnhinweise gegenüber Bürgern deutlich: Verdächtige Aktivitäten sollen gemeldet werden; private Drohnen müssen abgegeben werden; Telefonate könnten vom Feind überwacht sein – so zitiert ein Sprecher der Cyberpolizei Teheran öffentlichkeitswirksam seine Bevölkerung dazu auf, Vorsicht walten zu lassen bei Informationsweitergabe bezüglich Lage vor Ort aus Sorge um nationale Sicherheitssicherung. *
Viele Iranerinnen und Iraner kennen Zensurmaßnahmen sowie Internetüberwachung gut genug –,* weshalb solche Appelle eher als Warnung durch eigene Behörden verstanden werden dürften denn als Schutzmaßnahme gegen äußere Bedrohung.*
Das Regime versucht damit offenkundig einen Imageschaden wettzumachen: Trotz offizieller Siegesrhetorik wissen viele Bürgerinnen und Bürger um Schäden an Atomanlagen sowie Raketenprogramm-Einschränkungen infolge militärischer Angriffe ebenso wie um Verluste hochrangiger Generäle.*