Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Stuttgart hat erstmals einen realistischen Gänse-Dummy für Vogelschlagtests entwickelt und erfolgreich getestet. Ziel ist es, die Sicherheit von Flugzeugen zu erhöhen, ohne lebende Vögel zu gefährden.
Tierschutzgerechte vogelschlagtests mit künstlichen gänsen
Jährlich kommt es weltweit zu Tausenden Kollisionen zwischen Vögeln und Flugzeugen, die erhebliche Schäden verursachen können. Um diese Risiken besser zu verstehen und Flugzeuge sicherer zu machen, werden seit Jahrzehnten Vogelschlagtests durchgeführt. Dabei kamen bisher oft getötete Vögel zum Einsatz. Das DLR verfolgt nun einen innovativen Ansatz: den Einsatz von künstlichen Vogel-Dummys, die realistische physikalische Eigenschaften besitzen.
Der neu entwickelte Gänse-Dummy wiegt 3,6 Kilogramm – das entspricht dem Gewicht einer echten Gans – und wurde speziell konstruiert, um lebende Tiere bei Tests künftig überflüssig zu machen. Verantwortlich für den Bau des Dummys ist Peter Schimmelpfennig aus Münster, ein erfahrener Crashtest-Ingenieur mit Schwerpunkt auf Autotests. Er erklärt: „Dieser Vogel hat ein Skelett, was die Festigkeit des Vogels letztendlich ausmacht, aber auch einen entsprechenden Silikonkörper, der die Weichteilgewebe des Vogels darstellt.“ Damit wird eine möglichst genaue Nachbildung der biomechanischen Eigenschaften einer echten Gans erreicht.
Der erste Testflug fand im Labor statt; zukünftig soll der Dummy helfen, Unfälle wie den Vorfall im Januar 2009 in New York besser nachzuvollziehen. Damals geriet ein Schwarm Gänse in Triebwerke eines Flugzeugs – beide Triebwerke fielen aus. Solche Ereignisse verdeutlichen den hohen Stellenwert präziser Vogelschlagforschung zur Verbesserung der Flugsicherheit.
Jahrzehntelange erfahrung des dlr mit vogel-dummys
Das DLR verfügt über rund 50 Jahre Erfahrung bei Untersuchungen zum Verhalten von Vögeln bei Kollisionen mit Flugzeugteilen. Für verschiedene Vogelarten wurden eigene Dummies entwickelt; neben Flugzeugen werden auch Hubschrauber getestet. Die Versuche finden unter kontrollierten Bedingungen statt: So wird etwa ein Reiher-Dummy mittels Druckluftkanone beschleunigt und auf eine Teststruktur geschossen.
Präzises testverfahren am dlr
Stefan Ritt vom DLR beschreibt das Verfahren: „In dem Versuch bauen wir die Strukturen so auf, wie sie am Flugzeug eingebaut sind. Und dann beschleunigen wir den Vogel, um ihn dort auftreffen zu lassen.“ Der Unterschied zur Realität besteht darin, dass nur der Dummy beschleunigt wird – nicht jedoch das gesamte Bauteil des Flugzeugs.
Diese methodische Präzision ermöglicht detaillierte Analysen von Aufprallkräften sowie Beschädigungsmustern an Bauteilen unter simulierten Realbedingungen. Die gewonnenen Erkenntnisse tragen dazu bei, Konstruktionen widerstandsfähiger gegen Vogelschläge auszulegen und damit potenzielle Gefahrenquellen im Luftverkehr weiter einzudämmen.
Erfolgreiche weltpremiere des gänse-dummys beim dlr
Der erstmals getestete Gänse-Dummy wog exakt 3,6 Kilogramm und wurde als Biofidel-Modell konzipiert – also biologisch realitätsnah nachgebildet hinsichtlich Gewicht sowie innerer Struktur inklusive Skelett- und Weichteilkomponenten aus Silikonmaterialien.
Die zentrale Frage vor dem Versuch lautete: Passt dieser vergleichsweise große Dummy durch die Laborkanone? Die Antwort war positiv; er konnte erfolgreich abgeschossen werden – eine Premiere weltweit laut Stefan Ritt: „Ich glaube auch dass er zum ersten Mal überhaupt im Test verwendet wurde.“
Nach dem Aufprall zerbrach der Silikon-Ganskörper in zahlreiche Einzelteile; dies erforderte umfangreiche Reinigungsarbeiten an der Versuchsanlage aufgrund „fast echt wirkender“ Überreste eines Körpers dieser Größe.
Die Auswertung erfolgt mithilfe hochpräziser Messmethoden einschließlich Hochgeschwindigkeitskameras sowie Kraftsensorik während des Aufpralls auf definierte Teststrukturen innerhalb des Laborsystems am Standort Stuttgart.
Perspektiven zur reduktion von tierversuchen durch biofidele vogelmodelle
Ziel dieser Forschung ist es ausdrücklich nicht nur technische Verbesserungen an Luftfahrzeugen herbeizuführen sondern zugleich Tierversuche langfristig abzuschaffen oder zumindest stark einzuschränken – insbesondere solche Tests außerhalb staatlicher Forschungsinstitute noch häufig angewandt werden müssen.
Stefan Ritt betont hierzu: „Das Ziel von dieser Forschung ist es zu zeigen dass diese Bedingungen vergleichbar sind und dass wir peu à peu Versuche durch künstliche Vogelschläge simulieren können.“ Durch kontinuierliche Optimierung solcher Biofidel-Dummies könnten Industrieunternehmen bald vollständig auf echte Tiere verzichten ohne Einbußen bei Sicherheitsstandards hinnehmen zu müssen.
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt selbst führt keine Tierversuche durch; seine Entwicklungen sollen als Vorbild dienen sowie Anreiz schaffen für weitere Innovationen zugunsten ethischer Standards innerhalb internationaler Zulieferketten im Bereich Luftfahrttechnik.