Die Vorrunde der Klub-Weltmeisterschaft 2023 in den USA war geprägt von extremen Wetterbedingungen und deutlich sichtbaren Zuschauerlücken. Ein ehemaliger Bundesliga-Manager und Experte für den US-Fußball zieht eine erste Bilanz zur Entwicklung des Sports in Nordamerika.
Hitze, wetterkapriolen und leere sitzplätze prägen die klub-wm-vorrunde
Die neu gestaltete Klub-WM mit 32 teilnehmenden Mannschaften sollte nach Vorstellung des Weltverbands Fifa einen neuen Maßstab im internationalen Fußball setzen. Stattdessen dominierten während der Vorrundenspiele vor allem negative Schlagzeilen über extreme Hitze, Unwetter sowie zahlreiche freie Plätze in den Stadien. Besonders auffällig war das Spiel zwischen dem argentinischen Spitzenklub River Plate und den japanischen Urawa Red Diamonds im Lumen Field von Seattle. Trotz lautstarker Unterstützung der Fangruppen hinter den Toren blieb der Großteil des Stadions mit fast 60 000 Plätzen leer – nur etwa 12 000 Zuschauer waren anwesend.
Diese Bilder sorgten international für Kritik und Spott, insbesondere aus Europa. Dort wurde die Frage gestellt, ob das vermeintlich gestiegene Interesse am Fußball beziehungsweise „Soccer“ in den USA tatsächlich nachhaltig ist – zwei Jahre vor Ausrichtung der WM auf amerikanischem Boden. Der ehemalige Bundesliga-Profi und heutige Sportdirektor des MLS-Clubs St. Louis City SC, Lutz Pfannenstiel, bewertet diese Situation gelassener: „Ich sehe das relativ entspannt. Die Gruppenphase ist eher ein Vorgeplänkel, bei Spielen großer Teams wie Bayern München oder Manchester City war schon viel los.“ Er verweist darauf, dass sich die Fankultur bei hochkarätigen Begegnungen bereits deutlich zeige.
Einschätzung von pfannenstiel zur fankultur
Pfannenstiel beobachtet die Entwicklung des Fußballs in Nordamerika seit mehreren Jahren intensiv aus nächster Nähe. Er betont zudem, dass große Arenen mit mehr als 80 000 Plätzen naturgemäß schwerer zu füllen seien: „Wenn Oberränge unbesetzt bleiben, sagt das nichts über die generelle Begeisterung für Fußball aus.“ Seine Prognose lautet klar: Ab der K.-o.-Phase werde sich dies ändern und viele Stadien werden voll sein.
Parallele veranstaltungen führen zu fußball-überangebot in nordamerika
Ein wesentlicher Grund für die vergleichsweise niedrigen Zuschauerzahlen sieht Pfannenstiel im Überangebot an Fußballveranstaltungen innerhalb kurzer Zeitspanne auf amerikanischem Boden. Neben dem laufenden Ligabetrieb der Major League Soccer findet zeitgleich auch noch der Gold Cup statt – ein Turnier ähnlich einer Europameisterschaft für nord- und mittelamerikanische Nationalmannschaften wie USA, Kanada oder Mexiko.
Diese Überschneidung führt dazu, dass Fans ihre Aufmerksamkeit auf mehrere Wettbewerbe gleichzeitig verteilen müssen – eine Herausforderung selbst für fußballbegeisterte Regionen wie Nordamerika. Für Deutschland wäre dieses Szenario kaum vorstellbar: Die Bundesliga würde parallel zur Klub-WM spielen; zusätzlich wäre man Gastgeber einer ebenfalls zeitgleich stattfindenden Europameisterschaft.
Pfannenstiel zieht als Beispiel seine eigene Erfahrung heran: Seit dem Einstieg seines Vereins St. Louis City SC im Jahr 2023 sind alle Heimspiele regelmäßig ausverkauft – allerdings verfügt dessen Stadion nur über rund 22 500 Plätze; deutlich weniger als viele Austragungsorte bei der Klub-WM mit Kapazitäten bis zu über 80 000 Zuschauern.
Insgesamt zeigen sieben von elf Veranstaltungsorten bei dieser Ausgabe eine Auslastung von maximal fünfzig Prozent oder weniger während einiger Spiele – ein Indiz dafür, dass trotz wachsender Popularität noch nicht alle Voraussetzungen gegeben sind für durchgehend volle Arenen beim internationalen Clubfußball auf höchstem Niveau in Nordamerika.
Der ehemalige Torhüter sieht dennoch positive Entwicklungen langfristig möglich: Mit zunehmender Bekanntheit großer Klubs sowie steigender Qualität wird sich auch das Zuschauerinteresse weiter stabilisieren können – spätestens wenn es um Titelentscheidungen geht werden viele Fans wieder zahlreich ins Stadion strömen wollen.