Die Lage im Nahen Osten bleibt angespannt und unübersichtlich. Philippe Lazzarini, Generalkommissar des Palästinenserhilfswerks der Vereinten Nationen , reist nach Berlin, um mit Parlamentariern über die Zukunft der Hilfsorganisation zu sprechen. Die finanzielle Situation des UNRWA ist kritisch, da wichtige Geberländer ihre Zahlungen eingestellt oder ausgesetzt haben.
Finanzielle krise beim unrwa durch ausbleibende zahlungen der usa und anderer geberstaaten
Das Palästinenserhilfswerk UNRWA steht vor einem dramatischen finanziellen Engpass. Seit Ende Januar 2024 haben die Vereinigten Staaten als ehemals größter Geldgeber sämtliche Zahlungen eingestellt. Auch Deutschland und weitere Geberstaaten setzten ihre Unterstützung zunächst aus, nachdem Israel einzelne Mitarbeiter des UNRWA beschuldigte, am Massaker vom 7. Oktober 2023 beteiligt gewesen zu sein. Diese Anschuldigungen führten zu einer erheblichen Verunsicherung bei den Geldgebern.
Vor zwei Wochen stand das Hilfswerk kurz davor, bis zu 20 000 Mitarbeiter in der Region suspendieren zu müssen. Nur durch vorgezogene Zahlungen einzelner Geber konnte dieser Schritt verhindert werden. Das Defizit bis zum Jahresende beläuft sich auf rund 200 Millionen US-Dollar . Seit April 2024 fließen wieder Gelder aus Deutschland an das UNRWA.
Ein unabhängiger Bericht unter Leitung der früheren französischen Außenministerin Catherine Colonna bestätigte zwar robuste Mechanismen zur Sicherung der Neutralität innerhalb des Hilfswerks, wies aber auch auf notwendigen Reformbedarf hin. Laut Lazzarini hält sich das UNRWA an diese Empfehlungen.
Die prekäre Finanzlage gefährdet die Arbeit des Hilfswerks massiv und könnte gravierende Einschnitte bei den humanitären Leistungen für die palästinensische Bevölkerung nach sich ziehen.
Verschärfte politische bedingungen und zunehmende bedrohung für unrwa-mitarbeiter
Neben den finanziellen Schwierigkeiten sieht sich das UNRWA seit Januar mit erheblichen politischen Einschränkungen konfrontiert: Zwei vom israelischen Parlament verabschiedete Gesetze schränken die Arbeit des Hilfswerks in Israel sowie in den von Israel besetzten Gebieten stark ein oder verbieten sie teilweise ganz.
Zudem erlebt das Personal eine verstärkte Desinformationskampagne: In Städten wie New York warnen Plakatwände gegen das UNRWA – finanziert vom israelischen Kommunikationsministerium –, was negative Auswirkungen auf die Sicherheit der Mitarbeiter hat. Lazzarini berichtet: „Viele denken jetzt, das seien alles Terroristen.“ Dies führe dazu, dass Angestellte bedroht und eingeschüchtert würden.
Diese Entwicklungen erschweren nicht nur die tägliche Arbeit erheblich, sondern gefährden auch Menschenleben innerhalb der Organisation sowie deren Einsatzmöglichkeiten im Krisengebiet.
Katastrophale humanitäre lage im gazastreifen trotz hilfslieferungen
Die humanitäre Situation im Gazastreifen verschlechtert sich weiter dramatisch – trotz einiger Lockerungen bei Blockaden von Hilfslieferungen durch Israel seit März dieses Jahres bleibt vieles problematisch. Die vollständige Blockade wurde zwar etwas gelockert; jedoch dürfen international anerkannte Organisationen wie das UNRWA keine Lebensmittel mehr verteilen.
Stattdessen hat eine von den USA und Israel eingesetzte Stiftung namens „Gaza Humanitarian Foundation“ diese Aufgabe übernommen – doch dabei kommt es fast täglich zu Verletzungen oder Toten unter den Hilfesuchenden aufgrund militärischer Angriffe oder Unfällen während Verteilungen.
Israel wird zudem vorgeworfen, Kriegsvergehen im Gazastreifen begangen zu haben und damit internationales Recht verletzt zu haben; gleichzeitig warnt Philippe Lazzarini vor einer drohenden Hungersnot in dem Gebiet aufgrund fehlender ausreichender Versorgungskapazitäten durch internationale Organisationen wie das UNRWA.
Diese katastrophalen Zustände führen nicht nur zur Verschlimmerung menschlichen Leids vor Ort sondern könnten auch weitreichende Folgen für Stabilität und Sicherheit im gesamten Nahostraum haben.
Geopolitische folgen für weltordnung und bedeutung berlins für unrwa-zukunft
Der Konflikt um Gaza wirkt sich zunehmend destabilisiertend auf internationale Ordnungsstrukturen aus: Laut Lazzarini führt fehlende Strafverfolgung von Kriegsvergehen sowie mangelnde Konsequenzen zur Erosion einer regelbasierten Weltordnung, welche seit sieben Jahrzehnten als Maßstab galt. „Wenn diese Zustände fortbestehen“, so warnt er, „wird dies unsere globale Ordnung zerstören.“
Diese Entwicklung begann bereits vor dem Krieg im Gazastreifen mit einer lähmenden Wirkung insbesondere auf den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen – etwa infolge Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine –, doch nun habe sie durch aktuelle Ereignisse nochmals deutlich an Dynamik gewonnen.
Im Nahost- sowie Mittelostraum droht ein Flächenbrand; immer mehr Stimmen warnen davor, dass Recht des Stärkeren zurückkehrt statt internationaler Regeln Geltung finden werden.
Für das Palästinenserhilfswerk ist daher neben internationalen Unterstützern besonders Berlin wichtig. Lazzarini betont: „Es kommt jetzt darauf an“, um einen Crash unseres Hilfswerks abzuwenden. Gleichzeitig kürzt Deutschland derzeit Mittel für Entwicklungszusammenarbeit insgesamt – was zusätzliche Herausforderungen schafft.
Trotz aller Widrigkeiten zeigt sich Philippe Lazzarini entschlossen: „Ich habe das Privileg eine Stimme zu haben – viele Menschen in Gaza nicht.“ Diese Stimme einzusetzen sei sein Minimum gegenüber denen in Notlagen am Boden.