Die Bedeutung von Demokratiebildung an Schulen gewinnt angesichts wachsender Zweifel junger Menschen an demokratischen Werten zunehmend an Relevanz. Eine aktuelle Umfrage der Robert-Bosch-Stiftung zeigt, dass viele Lehrkräfte mehr Einsatz für die Vermittlung demokratischer Kompetenzen fordern.
Herausforderungen und bedarfe bei der demokratiebildung im schulalltag
Schulen sind zentrale Orte, um Demokratie im Kleinen zu üben. Dort treffen täglich zahlreiche Menschen mit unterschiedlichen Meinungen und Bedürfnissen aufeinander. Konflikte müssen gelöst, Kompromisse ausgehandelt werden. Kinder und Jugendliche sollen so zu mündigen Bürgerinnen und Bürgern erzogen werden – eine Aufgabe, die angesichts sinkenden Vertrauens in demokratische Institutionen immer wichtiger wird. Die AfD zieht beispielsweise viele Erstwähler an, was den Handlungsdruck erhöht.
Das Deutsche Schulbarometer der Robert-Bosch-Stiftung belegt jedoch Defizite bei der Umsetzung dieses Bildungsauftrags: 54 Prozent aller befragten Lehrkräfte sehen Nachholbedarf bei der Demokratiebildung in ihrer Schule. An Haupt-, Real- und Gesamtschulen steigt dieser Anteil sogar auf 63 Prozent. Die repräsentative Umfrage wurde Ende 2023 unter 1 540 Lehrkräften sowie Schulleitungen allgemein- und berufsbildender Schulen durchgeführt.
Als größtes Hindernis nennen über drei Viertel derjenigen Lehrkräfte, die sich mehr Engagement wünschen, fehlende Unterrichtszeit für Demokratie-Themen. Knapp die Hälfte beklagt mangelndes Fachwissen im Kollegium als Problemquelle; ein Drittel westdeutscher Pädagoginnen und Pädagogen bemängelt fehlendes geeignetes Unterrichtsmaterial.
Darüber hinaus erschweren weitere Faktoren eine intensivere Förderung demokratischer Bildung: In Ostdeutschland geben 38 Prozent fehlendes Interesse im Kollegium sowie 29 Prozent mögliche Konflikte unter Schülerinnen und Schülern als Gründe an. Zudem befürchten dort rund ein Viertel Widerstand seitens Elternhäusern gegen politische Bildung.
Praxisbeispiele zur förderung von partizipation und demokratielernen
Der Umgang mit elterlichem Widerstand ist ein bekanntes Problemfeld – wie Frank Ahrens bestätigt, Leiter der Jenaplan-Schule Jena: „Eltern diskutieren oft darüber, ob Schule politisch neutral bleiben müsse.“ Er verweist auf den Beutelsbacher Konsens aus den 1970er-Jahren als Leitlinie für klare Stellungnahmen gegen demokratieschädliche Einstellungen durch Lehrkräfte oder Schulleitungen.
Mitbestimmung im schulalltag
Demokratiebildung umfasst nicht nur das Vermitteln politischen Wissens aus Geschichte oder Sozialwissenschaften; sie verlangt auch praktische Erfahrungen mit Mitbestimmungsmöglichkeiten im Schulalltag. Ahrens betont: „Jede Schülerin und jeder Schüler muss erfahren, dass eigene Auffassungen gesehen werden.“ An seiner Schule organisieren Schülerinnen selbständig Projektwochen oder planen eigenverantwortlich Abschlussfahrten inklusive Finanzierungsvorbereitung.
Auch kleine Beteiligungsformen sind wichtig: Eine Gruppe Erst- bis Drittklässler formulierte etwa einen Brief mit Sitzplatzwünschen – daraufhin führte der Schulleiter Gespräche über deren Umsetzungsmöglichkeiten. Solche Beispiele zeigen Wege zu gelebter Partizipation jenseits formaler Gremien wie Schülervertretungen .
Das Schulbarometer offenbart jedoch Defizite bei solchen Beteiligungsformen insgesamt: Wenn Schülerinnen Mitbestimmung erhalten, betrifft dies meist nur Klassenregeln; Einfluss auf Unterrichtsinhalte bleibt selten möglich. Fast die Hälfte aller Befragten hält zudem SV-Gremien für wirkungslos hinsichtlich schulischer Entscheidungen – obwohl eine knappe Mehrheit Partizipationsmöglichkeiten insgesamt als ausreichend bewertet.
Perspektiven zur entwicklung demokratischer schulkultur
Dagmar Wolf von der Robert-Bosch-Stiftung fordert grundlegende Veränderungen: „Demokratieerziehung findet nicht nur im Politikunterricht statt.“ Vielmehr müssten Schulen selbst zu Orten gelebter Demokratie werden – durch gemeinsame Konzepte von Lehrkräften, Leitungspersonal sowie Eltern- und Schülerschaft.
Diese Entwicklung erfordert Zeitressourcen ebenso wie Fortbildungen zum Thema Demokratieförderung sowie geeignete Materialien für alle Fächerbereiche mit Bezug zur politischen Bildung oder sozialen Kompetenzentwicklung.
Der einsatz von künstlicher intelligenz in schulen
Ein weiteres Thema ist die Nutzung künstlicher Intelligenz in Schulen: Laut Schulbarometer fühlen sich 62 Prozent aller Befragten unsicher beim beruflichen Umgang mit KI-Tools; ein Drittel hat diese gar nicht eingesetzt während des letzten Jahres; wiederum ein weiteres Drittel nutzt sie regelmäßig in Unterricht oder Verwaltungstätigkeiten.
Wolf weist darauf hin: „An Schulen fehlen oft Voraussetzungen für sinnvollen KI-Einsatz.“ Qualifizierungen seien notwendig – auch um negative Auswirkungen auf soziale Fähigkeiten oder kritisches Denken bei Schülerinnen zu vermeiden; über 60 Prozent erwarten hier eher negative Folgen durch unreflektierten KI-Gebrauch ohne pädagogische Begleitung.