Der Fotograf Michael Wohl-Iffland untersucht mit präzisen Schnitten das Innere von Blüten und macht so die faszinierenden Strukturen sichtbar, die sonst verborgen bleiben. Seine Arbeit verbindet wissenschaftliche Neugier mit künstlerischer Fotografie und gibt Einblicke in die Evolution und Bestäubungsstrategien von Pflanzen.
Blütenentwicklung und ihre schutzmechanismen im detail
Blüten beginnen ihr Leben oft eng zusammengerollt in einer robusten Hülle, die sie vor Kälte, Trockenheit sowie Fressfeinden schützt. Dieses zarte Leben ruht zunächst im Dunkeln, bis sich bei steigender Sonneneinstrahlung die Knospe öffnet. Dabei entfaltet sich der bunte Inhalt wie ein Schmetterling aus seinem Kokon. Diese Phase markiert den Übergang vom geschützten Wachstum zur aktiven Blütezeit.
Die Selbstbestäubung ist eine wichtige Überlebensstrategie vieler Pflanzenarten, insbesondere wenn Insekten als Bestäuber fehlen oder noch nicht aktiv sind. So kann etwa das Schneeglöckchen seine Fortpflanzung sichern, auch wenn zu seiner Blütezeit oft noch keine Bienen fliegen. Die Pflanze nutzt dann ihre Fähigkeit zur Selbstbestäubung als Ausgleich für den Mangel an Insekten.
Die Vielfalt der Blütenformen spiegelt unterschiedliche Anpassungen wider: Manche sind schlicht gestaltet und nutzen Wind zur Pollenverbreitung wie Gräser; andere locken gezielt Tiere durch auffällige Farben oder Düfte an. Nektar dient dabei als Belohnung für bestäubende Insekten oder Fledermäuse – letztere produzieren besonders große Mengen davon in tropischen Regionen aufgrund ihres höheren Energiebedarfs.
Neben diesen symbiotischen Beziehungen existieren auch Täuschungsstrategien: Der Aronstab etwa verströmt Gerüche nach Fäulnis oder Urin, um Fliegen anzulocken und temporär einzufangen; Orchideen imitieren Paarungsgerüche weiblicher Insekten, um männliche Tiere anzuziehen – ein raffinierter Mechanismus zur Pollenübertragung ohne Nektarbelohnung.
Michael wohl-ifflands fotografische entdeckungen im botanischen mikrokosmos
Michael Wohl-Iffland, ehemaliger Physiklehrer aus Hamburg-Harburg, widmet sich seit mehreren Jahren der Makrofotografie von Blumeninnerem. Seine Technik besteht darin, frische Blüten mit einer Rasierklinge Schicht für Schicht aufzuschneiden und diese Fragmente auf schwarzem Moltonstoff auszuleuchten. Mit einer digitalen Lumix-Kamera fertigt er Serienaufnahmen an, deren Fokus millimetergenau variiert wird.
Diese Aufnahmen werden anschließend zu einem gestochen scharfen Gesamtbild verrechnet . Das Ergebnis sind plastisch wirkende Stillleben des verborgenen Innenlebens verschiedener Pflanzenarten – eine Kombination aus wissenschaftlicher Präzision und ästhetischem Anspruch.
Inspirierende momente und technik
Seine Inspiration erhielt Wohl-Iffland vor vier Jahren im Botanischen Garten Singapur beim Öffnen einer Palmenblüte: „Ich war fasziniert von den Strukturen innerhalb der Knospe,“ sagt er selbst über diesen Moment des Entdeckens. Seitdem hat er hunderte Exemplare gesammelt und fotografiert – stets behutsam gebettet auf feuchtem Toilettenpapier in seinem kleinen Heimstudio am Schreibtisch.
Wohl-Ifflands Blick ist geprägt vom technischen Verständnis eines Physiklehrers sowie seiner Leidenschaft für Naturfotografie: „Mich faszinieren Kompaktheit und Strukturvielfalt,“ erklärt er weiter. Er sieht seine Arbeit nicht nur als künstlerisches Projekt sondern auch als Beitrag zum besseren Verständnis pflanzlicher Lebensweisen.
Evolutionäre bedeutung der blüte als fortpflanzungsorgan
Blüten zählen zu den erfolgreichsten Innovationen der Evolution überhaupt: Sie ermöglichen sexuelle Fortpflanzung durch Bestäubung – dabei vermischt sich genetisches Material zwischen Pollenkorn und Samenanlage zum neuen Embryo beziehungsweise Samenkorn. Fossile Funde belegen eine lange Geschichte dieser Organismen; versteinertes Pollenmaterial wurde auf über 240 Millionen Jahre datiert – deutlich älter als bisher bekannte fossile Blätter oder ganze Blumenreste.
Ursprünglich könnten Käfer erste Bestäuber gewesen sein; Bienen entwickelten sich erst später in geologischer Zeitspanne hinzu. Heute existieren rund 300.000 Arten blühender Pflanzen mit vielfältigen Strategien zur Verbreitung ihrer Gene: Wind-, Tier- oder sogar Täuschungsbestäubungen gehören dazu.
Diese Vielfalt zeigt eindrucksvoll die Anpassungsfähigkeit pflanzlichen Lebens über Jahrmillionen hinweg trotz großer Umweltveränderungen einschließlich des Aussterbens großer Tiergruppen wie Dinosaurier vor rund 65 Millionen Jahren.
Biografische hintergründe michael wohl-ifflands fotografiekarriere
Der Weg Michael Wohl-Ifflands begann früh mit dem Interesse an Technik sowie Fotografie: Bereits 1964 kaufte er sich seine erste Kamera vom Konfirmationsgeld – eine Agfa mit zwei Blendeneinstellungen –, um bei einem Tag der offenen Tür der U.S.-Air Force Fotos zu machen. Dort wurde er unerwartet Zeuge eines Flugzeugabsturzes eines Starfighters in Bremerhaven; prompt war er unter den ersten Fotografen am Unglücksort im Alter von nur 14 Jahren.
Seine Karriere führte ihn zunächst ins Lehramt Physik bevor ihn seine Leidenschaft für Bilder immer stärker prägte; fast jede neue Schule richtete er selbst Dunkelkammern ein für eigene Experimente mit Lichtführung sowie Bildgestaltungstechniken bis hin zum heutigen Fokus-Stapeln digitaler Aufnahmen am Computerarbeitsplatz zuhause in Hamburg-Harburg entwickelt wurden.
Mit seinen Bildern dokumentiert Wohl-Iffland nicht nur botanische Details sondern hält auch historische Momente fest — darunter Porträts bekannter Persönlichkeiten wie Altkanzler Helmut Schmidt oder städtische Landschaften wie die Hamburger Hafenkante –, was sein Spektrum weit über reine Naturfotografie hinaus erweitert hat.
Erschienen in stern 05/24