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Russischsprachler in der ukraine lehnen russischen „schutz“ ab – aktuelle umfrageergebnisse aus kyjiw

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Die Debatte um die Rechte der russischsprachigen Bevölkerung in der Ukraine gewinnt vor dem Hintergrund des anhaltenden Kriegs eine neue Dimension. Aktuelle Umfragen und persönliche Berichte zeigen, dass viele Russischsprachige in der Ukraine Russland als Schutzmacht ablehnen.

Russische propaganda und die behauptung von unterdrückung

Der russische Außenminister Sergej Lawrow wiederholte im Mai 2025 erneut die Behauptung, dass die russischsprachige Bevölkerung in der Ukraine unterdrückt werde. Er bezeichnete es als ein „Verbrechen“, wenn Russland diese „Millionen Menschen, für die Russisch Muttersprache ist“, nicht schützen würde. Laut Lawrow müssten ihre Rechte auch in einem Friedensabkommen geregelt werden. Diese Argumentation dient seit Beginn des Angriffskriegs als Rechtfertigung für das militärische Vorgehen Russlands gegen sein Nachbarland.

Tatsächlich zeigt sich jedoch ein anderes Bild: Die Mehrheit der Russischsprachigen in der Ukraine hat durch den Krieg fast alle Sympathien gegenüber Russland verloren. Die Propaganda steht im starken Widerspruch zu den realen Einstellungen vieler Betroffener vor Ort.

Ein Beispiel dafür ist Maria Sebowa, eine 35-jährige YouTuberin aus Kyjiw, die selbst Russisch als Muttersprache spricht. Sie wechselte nach Kriegsbeginn bewusst zur ukrainischen Sprache auf ihrem Kanal und erhielt dafür viel Unterstützung von ihren Landsleuten – negative Reaktionen kamen ausschließlich aus Russland. Maria betont: „Dann kann Russland gar nicht mehr versuchen, aus dieser Sprachenfrage Vorteile zu ziehen.“ Für sie sind Lawrows Worte zynisch angesichts dessen, dass gerade Städte mit vielen Russischsprechenden im Osten durch den Krieg zerstört werden.

Maria Sebowa veröffentlicht seit sieben Jahren Reiseberichte auf YouTube und zeigt darin Möglichkeiten zum Reisen mit kleinem Budget auf. Der bewusste Sprachwechsel war für sie auch ein politisches Statement gegen den Angriffskrieg ihres Nachbarlandes.

Ablehnung gegenüber russland bei russischsprachigen ukrainern

Der Soziologe Mychajlo Mischtschenko vom ukrainischen Razumkow-Zentrum führte eine umfangreiche Befragung durch, um Einstellungen zur Sprache und zum Konflikt zu erfassen – auch unter Einbeziehung aller Landesteile außerhalb besetzter Gebiete inklusive des Donezbeckens.

Das Ergebnis verdeutlicht einen tiefgreifenden Wandel: Die meisten Russischsprachigen stehen Russland inzwischen fast ebenso kritisch gegenüber wie andere Bevölkerungsgruppen in der Ukraine insgesamt. Während nur etwa 1 Prozent aller Ukrainischsprechenden positive Gefühle gegenüber Russland äußern, sind es bei den Russischtaligen immerhin noch 13 Prozent – doch selbst hier lehnt eine deutliche Mehrheit von 82 Prozent das Land ab.

Mischtschenko weist darauf hin, dass besonders Menschen im Osten aufgrund direkter Kriegserfahrungen wie Verlust von Angehörigen oder erzwungener Binnenmigration stärker belastet sind und dies ihre Haltung beeinflusst haben dürfte.

Diese Zahlen widerlegen klar das Narrativ einer angeblichen Unterdrückung oder eines Schutzbedarfs durch Moskau innerhalb dieser Bevölkerungsgruppe.

Gesetzliche regelungen zur ukrainischen sprache und deren wirkungen

Seit April 2019 gilt in der Ukraine ein Gesetz zur Förderung der ukrainischen Sprache mit Vorrangregelungen für mindestens 30 Bereiche des öffentlichen Lebens wie Medien, Kultur oder Bildung sowie Einzelhandel. Ursprünglich mussten Radio- und Fernsehsender mindestens 75 Prozent ihrer Inhalte auf Ukrainisch senden; Anfang 2024 wurde dieser Anteil auf nunmehr 90 Prozent erhöht.

Nach Beginn des Krieges beschlossen einzelne Regionen einschließlich Kyjiw Moratorien gegen öffentliche Veranstaltungen auf Russisch – temporäre Verbote sollten so dem Gebrauch einer fremden Sprache entgegenwirken angesichts eines bewaffneten Konflikts mit einem Nachbarstaat, der nach eigenem Verständnis Schutzansprüche geltend macht.

Diese Maßnahmen stießen international insbesondere seitens Moskau scharfe Kritik entgegen; innerhalb großer Teile der ukrainischen Gesellschaft gelten sie jedoch als legitime Schritte zur Stärkung nationaler Identität während eines existenziellen Konflikts mit dem Aggressor-Russland.

Die sprachpolitische Entwicklung spiegelt sich auch darin wider, dass immer weniger Menschen bereit sind, sich kulturell eng an Russland gebunden zu fühlen oder gar dessen Einfluss anzuerkennen – trotz historischer Gemeinsamkeiten zwischen beiden Nationen bleibt heute das Trennende dominierend wichtig für viele Ukrainerinnen und Ukrainer unterschiedlichster Muttersprache.

Kulturelle distanz trotz gemeinsamer geschichte

Im Rahmen derselben Studie wurden Befragte gebeten einzuschätzen, wie nahe sie sich kulturell den Menschen in Russland fühlen – dabei sollten neben Sprache auch Lebensgewohnheiten berücksichtigt werden. Ukrainische Muttersprachler gaben durchschnittlich einen Wert von nur etwa 1,1 an; dies entspricht nahezu maximaler Fremdheit gegenüber Kultur-Elementen aus Russland.

Russischsprechende Ukrainer lagen zwar etwas höher bei durchschnittlich rund 2,9 Punkten; dennoch signalisiert dies ebenfalls deutliche Distanz.

Soziologe Mischtschenko erklärt dazu: „Natürlich gibt es aufgrund gemeinsamer Geschichte Ähnlichkeiten zwischen Ukrainern und Russen.“ Doch heute sei wichtiger geworden „was sie voneinander unterscheidet“ statt was verbindet.

Dieser Wertewandel spiegelt sich auch darin wider, dass viele junge Menschen explizit wünschen, dass Russische Sprache zunehmend aus offiziellen Bereichen verschwindet. Dies betrifft besonders Altersgruppen zwischen 18 bis 29 Jahren, wovon laut Umfragen über vier Fünftel diesen Wunsch äußerten.

Geringe unterstützung für status quo zugunsten des russischen sprachgebrauchs

Eine weitere Untersuchung vom Kyjiv International Institute of Sociology bestätigte ähnliche Tendenzen hinsichtlich politischer Forderungen zum Status des Russischen innerhalb Deutschlands Grenzen überschreitender Sprachpolitik:

Nur drei Prozent aller Befragten befürworteten im Februar 2024 offiziell einen Status als zweite Staatssprache für das Russische.

Auch östliche Regionen zeigten Werte unter zehn Prozent Zustimmung hierzu; lediglich knapp ein Viertel akzeptierte regional begrenzten offiziellen Status dort, wobei Bewohner dies wünschten.

Besonders auffällig war Ablehnung bei jungen Erwachsenen : Rund 84 % plädierten dafür, dass Russische komplett aus offiziellen Sprachgebrauch verschwinden solle.

Diese Zahlen verdeutlichen deutlich, sowohl gesellschaftlich als auch politisch hat man sich weitgehend vom Narrativ entfernt, das Russische müsse geschützt werden oder dürfe bevorzugt behandelt werden.

Persönliche erfahrungen spiegeln politische trennung wider

Für Persönlichkeiten wie Maria Sebowa bedeutet diese Entwicklung zugleich Brüche persönlicher Beziehungen: Sie berichtet davon, dass Freundschaften ins Stocken geraten seien, nachdem politische Differenzen offen zutage traten.

Sie erzählt: „Sie hat mich nicht gefragt, wie es mir geht, nachdem Russland die Ukraine überfallen hatte.“

Früher habe man politische Themen ausgeklammert, könne so Freundschaft erhalten bleiben. „Aber ich kann das jetzt nicht mehr,“ sagt Maria deutlich.

Die Erfahrungen einzelner Personen illustrieren damit eindrücklich, jenseits statistischer Daten, eine tiefe gesellschaftliche Spaltung infolge geopolitischer Ereignisse. Die Frage nach Zugehörigkeit und Loyalität wird zunehmend untrennbar verbunden mit politischen Realitäten und kriegerischem Kontext.

Insgesamt zeigen aktuelle Untersuchungen sowie Stimmen direkt Betroffener klar, dass viele Russischsprecherinnen und -sprecher in der Ukraine keinen Bedarf sehen, für den sogenannten Schutzanspruch seitens Russlands. Diese Erkenntnisse widersprechen fundamental der Propaganda Moskaus und zeichnen stattdessen das Bild einer Gesellschaft, in welcher nationale Identität und Selbstbestimmung zentrale Rollen spielen – auch unabhängig von Muttersprache oder Herkunftshintergrund.

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