Fast vier Jahre nach der verheerenden Flutkatastrophe 2021 setzen mehrere Orte im Ahrtal auf innovative Nahwärmenetze, um die Region nachhaltiger und umweltfreundlicher zu gestalten. Die neuen Heizsysteme sollen fossile Energieträger ersetzen und langfristig CO2-Emissionen reduzieren.
Nahwärmenetz in Marienthal: solarthermie und holzpellets als nachhaltige Heizlösung
Im kleinen Dorf Marienthal an der Ahr zeigt sich, wie ein Nahwärmenetz den Wiederaufbau mit Klimaschutz verbindet. Im Technikraum des zentralen Heizhauses herrscht trotz großer Hitze Ruhe, denn die beiden gelben Heizungsbrenner sind ausgeschaltet.
„Unser heißes Wasser beziehen wir gerade komplett über die Solarthermie-Anlage“, erklärt Rolf Schmitt, einer der Initiatoren des Projekts.
Das Nahwärmenetz versorgt rund 30 Haushalte mit warmem Wasser, das zentral erzeugt wird. Die Idee entstand unmittelbar nach der Flut im Juli 2021, als fast alle privaten Heizungen zerstört wurden. Die Verantwortlichen standen vor der Frage, wie künftig effizient und umweltfreundlich geheizt werden kann.
Die Entscheidung fiel auf ein Dorfwärmesystem mit mehreren Vorteilen: Es ermöglicht den Verzicht auf fossile Brennstoffe wie Gas oder Öl, bietet stabile Preise und reduziert Wartungskosten für einzelne Haushalte erheblich. Im Sommer erwärmt eine Solarthermie-Anlage das Wasser auf dem Dach des Heizhauses; im Winter übernehmen zwei große Holzpellet-Heizkessel diese Aufgabe.
Die Holzpellets stammen aus regionalem Holzabfall eines Sägewerks etwa 50 Kilometer entfernt – kurze Transportwege waren bewusst gewählt worden. Mit diesem System will Marienthal jährlich rund 200 Tonnen CO2 einsparen.
Ein weiterer Pluspunkt ist die einfache Hausinstallation: Wer sich ans Netz anschließt, benötigt keine eigene Heizung mehr im Keller; eine kleine Übergabestation an der Wand genügt zur Wärmeübergabe.
Das Nahwärmenetz trägt zudem dazu bei, fossile Energieträger aus dem engen Tal zu verbannen. Nach der Flut hatten viele Öltanks Schäden erlitten oder wurden weggespült; kontaminierter Schlamm machte zahlreiche Häuser unbewohnbar. Daher sind neue Ölheizungen in Überschwemmungsgebieten verboten – was alternative Lösungen dringend erforderlich macht.
Ähnliche projekte und expansion
Auch in anderen Teilen des Ahrtals wächst das Interesse an nachhaltigen Heizsystemen. Besonders der regionale Fokus auf erneuerbare Energien spielt dabei eine wichtige Rolle.
Ähnliche Projekte in anderen Orten: planungen in Dernau für großflächiges Nahwärmenetz
Auch das Nachbardorf Dernau plant ein eigenes Nahwärmenetz als Antwort auf die Folgen der Flutkatastrophe sowie steigende Energiepreise und Klimaschutzanforderungen. Fast vier Jahre dauerten hier die Planungen; währenddessen nutzten viele Bewohner provisorische oder neue Einzelheizsysteme.
Rund 220 von etwa 600 Haushalten wollen sich dem neuen Netz anschließen – darunter auch Gerhard Meyer, dessen Haltung klar ist:
„Gas und Öl wollten wir auf keinen Fall mehr hier“. Preisschwankungen am Gasmarkt verstärkten seine Entscheidung zusätzlich.
Bis Ende 2026 sollen erste Häuser angeschlossen sein; damit rechnet man mit einer jährlichen Einsparung von circa 2 000 Tonnen CO2 für Dernau insgesamt. Der ehrenamtliche Geschäftsführer der Energie Dernau GmbH, Gerd Wolter, betont den langfristigen Nutzen:
„Das ist jetzt nicht nur auf zehn oder fünfzehn Jahre ausgelegt. Davon sollen Generationen von Bürgerinnen und Bürgern profitieren.“
Die Gesamtkosten belaufen sich auf fast 20 Millionen Euro und werden durch Beiträge zukünftiger Nutzer sowie öffentliche Fördermittel gedeckt. Zur Verwaltung wurde eigens eine Firma gegründet; sie arbeitet ohne Gewinnabsicht und gibt Wärme nahezu zum Selbstkostenpreis weiter.
Für einzelne Haushalte soll das System preislich vergleichbar mit traditionellen Heizungsanlagen bleiben – allerdings steht noch viel Arbeit bevor: Ein neues Heizhaus muss errichtet werden sowie ein Leitungsnetz durch das gesamte Dorf verlegt werden.
Alternative heizungskonzepte im ahrtal: kalte Nahwärme in Rech nutzt Erdsonden
Nicht alle Orte setzen ausschließlich auf klassische zentrale Wärmeerzeugung mittels heißem Wasser aus einem Kraftwerk oder Pelletkesseln. Das Dorf Rech verfolgt einen anderen Ansatz mit einem sogenannten kalten Nahwärmenetz .
Hier wird keine heiße Flüssigkeit zentral erzeugt; stattdessen entziehen Erdsonden natürliche Erdwärme direkt unterhalb des Bodens über geothermische Anlagen am Standort selbst beziehungsweise dezentral verteilt an den Gebäuden. Aufgenommen wird diese Wärme dann mittels individueller Wärmepumpen weiterverarbeitet – sowohl zum Heizen als auch zur Kühlung während warmer Monate. Geeignet sind diese Systeme besonders energieeffizient bei geringeren Vorlauftemperaturen gegenüber klassischen Netzen.
Dieses Konzept passt gut ins enge Talprofil des Ahrtals sowie zu den Anforderungen eines nachhaltigen Wiederaufbaus nach Katastrophenschäden durch Hochwasserereignisse seit Juli 2021.
Technische details zur kaltwassernahwärme
- Nutzung der Erdwärme direkt ohne Zwischenheizung
- dezentrale Wärmepumpen für optimale Wärmeverteilung
- kombinierte Heiz- und Kühllösungen
Herausforderungen beim wiederaufbau trotz fortschrittlicher energiekonzepte
Trotz innovativer Projekte bleibt das Ahrtal weiterhin eine große Baustelle vier Jahre nach dem Hochwasserereignis vom Sommer 2021. Viele Straßen sind noch nicht vollständig instandgesetzt, zahlreiche Häuser warten weiterhin darauf, wieder bewohnbar gemacht zu werden.
Der Anschluss aller Haushalte an moderne Nah- bzw. Kaltwassernahwärmesysteme wird daher noch einige Zeit beanspruchen. Infrastrukturarbeiten, Bauvorhaben und Finanzierungsvorbereitungen müssen koordiniert umgesetzt werden.
Dennoch zeigen Beispiele wie Marienthal, Dernau oder Rech bereits heute Wege hin zu einer klimafreundlicheren Zukunft. Sie verbinden Wiederaufbauprozesse gezielt mit Nachhaltigkeitszielen: Reduktion von CO2-Emissionen, Verzicht auf fossile Brennstoffe sowie Nutzung erneuerbarer Energien stehen dabei klar im Fokus.
Diese Entwicklungen könnten Modellcharakter haben für andere Regionen Deutschlands, welche ebenfalls vor ähnlichen Herausforderungen stehen.